Sonntag, 30. Oktober 2011

Ruckizuck und Zottelrock

1. Der Beginn einer Freundschaft

Ruckizuck (RZ) war kein gewöhnliches Eichhörnchen. Er war zwar so klein und so flink wie jedes Eichhörnchen, aber das Besondere an RZ war, dass er die Farbe seines Fells schnell ändern konnte, je nachdem, wo er sich gerade befand. War er auf dem Boden, um nach Bucheckern zu suchen, dann war er so braun wie das welke Laub. Wenn er aber in grünen Zweigen umher tollte, dann färbte sich sein Fell so grün wie das Nadelkleid einer Tanne. Ja sogar, wenn RZ durch die Luft segelte, dann war sein Fell so hell wie die Wolken, die am Himmel vorbei zogen. Man hätte glauben können, dass nur ein schwarzes Augenpaar durch die Lüfte flog, so unsichtbar schien RZ zu sein.

Wie alle Eichhörnchen fing RZ im Herbst an, sich für den kommenden Winter einen Nahrungsvorrat anzulegen. Nach Eichhörnchenart sammelte er jeden Tag mehr Futter als er brauchte, um satt zu werden. Den Überschuss versteckte RZ überall, wo er ihm sicher schien: In Asthöhlen alter Bäume, wo er die Nahrung mit Moos bedeckte oder auf dem Waldboden, wo er den Vorrat mit alten Blättern tarnte. So wuchs die Zahl der Verstecke immer mehr und RZ hatte Schwierigkeiten, sich alle Verstecke zu merken.

Was RZ aber in seinem Eifer nicht bemerkte, war das alte Eichhörnchen Zottelrock (ZR), das schon lange nicht mehr von Baum zu Baum hüpfen und seine Nahrung nur noch auf dem Erdboden suchen konnte. Da lag aber auch nur noch altes Zeug herum, was die anderen Tiere des Waldes verschmäht oder bis auf wenige Reste verspeist hatten. Voller Neid beobachtete er RZ, wie er umher jagte und ständig mit vollen Backen an ihm vorbei zischte. Sobald aber RZ für kurze Zeit mal außer Sichtweite war, kroch ZR aus seinem Unterschlupf und machte sich hungrig über die Vorräte her, die RZ irgendwo im Erdboden vergraben hatte. So konnte ZR einigermaßen satt werden und RZ’s Vorräte schmeckten allemal besser als die faulenden Reste um ihn herum.

RZ bemerkte angesichts der Unzahl seiner Verstecke zunächst gar nichts von dem Verlust. Es konnte sogar vorkommen, dass er in manchen Vorratskammern mehrmals Nahrung ablegte, weil ihm in der Eile nicht aufgefallen war, dass sie immer wieder leer waren. Doch als der erste Schnee fiel und die Nahrungssuche immer schwieriger wurde, musste RZ ab und zu doch schon mal seine Vorräte anknabbern, um satt zu werden. Natürlich klapperte er zunächst die Verstecke ab, die ihm am nächsten lagen. Aber weil er jetzt öfters vorbei kam, fiel ihm doch schon auf, dass etwas nicht stimmen konnte. Mal waren die Lager leer oder die Hälfte des Vorrats war weg. So legte sich RZ auf die Lauer, um zu sehen, was dahinter steckte.

Weil ja RZ’s Tarnung perfekt war, konnte ZR auch nicht sehen, von wem er bei seinem nächsten Raubzug beobachtet wurde. Kaum hatte er ein Versteck gefunden und das Laub weg gekratzt, war auch schon RZ bei ihm und warf ihn auf den Rücken. "Erbarmen!", schrie ZR in Todesangst, "nicht zubeißen! Ich tue doch niemandem etwas zuleide." - "Doch mir!", fauchte RZ und öffnete gefährlich seine spitzen Zähne. "Du frisst mir meine Vorräte für den Winter weg, sodass ich nicht den nächsten Frühling erleben werde!" - "Ich kann dir auch etwas geben, wenn du mich verschonst!", fing ZR an zu flehen. "Du und mir was geben?! Dass ich nicht lache!", verspottete ihn RZ.

Doch jetzt war er neugierig geworden und spitzte seine spitzen Eichhörnchen-Ohren noch mehr. "Wetten, dass du nicht pfeifen kannst!?" RZ formte seine Lippen zu einem kleinen Loch zusammen, um es zu versuchen. Aber was er da heraus brachte, war nur die warme Luft aus seiner Lunge, die kleine Tröpfchen auf seinen Backenhaaren bildete. "Sag bloß, du kannst das?" wollte er jetzt von dem alten ZR wissen. "Klar doch", antwortete ZR verschmitzt. Dann spitzte er seinen Mund und holte etwas mehr Luft als sonst.

RZ blieb der Mund offen stehen, als er seinen Konkurrenten pfeifen hörte. ZR pfiff so schön, wie es ein Vogel nicht hätte besser tun können. Nicht nur ein Lied, sondern gleich drei Lieder klangen durch den novembertrüben Tannenwald, sodass alle Tiere die Köpfe hoben und den Klängen nachlauschten. "Donnerwetter!", sagte RZ mit tiefem Respekt vor ZR. "Du, das möchte ich auch können. Wenn du mir beibringst, wie man so schön pfeift, dann verschone ich dich und teile meine Vorräte mit dir!" Klar, dass ZR sofort einverstanden war und sich freute, als RZ wieder von ihm abließ. Sie schüttelten sich zum Abschied ihre Eichhörnchen-Pfoten und verabredeten sich für den nächsten Tag vor Einbruch der Dämmerung wieder an gleicher Stelle.

2. RZ lernt das Pfeifen und ZR das Fürchten

RZ war natürlich schon vor der Zeit da, wo sie sich verabredetet hatten. Er wollte unbedingt das Pfeifen lernen, um auch so bewundert zu werden wie ZR. Als die Dunkelheit schon herauf zog, traf auch ZR endlich ein. Dankbar verschlang er eine frische Haselnuss, die ihm RZ als Geschenk mitgebracht hatte. "Da, setz’ dich mal hin und pass’ genau auf, wie ich das mache!", fing ZR endlich mit der Lehrstunde an.

RZ setzte sich hin, wie ihm befohlen war, und ZR tauchte ganz nah vor RZ’s Gesicht auf. Gebannt schaute RZ zu, wie ZR seine Lippen zu einem kleinen Loch formte. Zunächst kam aber auch nur warme Luft heraus, doch als ZR begann, seine Eichhörnchen-Zunge mehr und mehr nach vorne zu schieben, wurde aus dem Ausatmen langsam ein hörbares Pfeifen. RZ probierte das nun auch. Und siehe da, schon nach wenigen Augenblicken konnte auch er einen Pfeifton seinem Mund entlocken. Gewiss, schön klang er nicht, RZ’s erster Pfeifton, weil er zu schrill war, aber immerhin. "Wenn du nun deine Zungenspitze vor- und zurück schiebst und dabei noch die Lippenöffnung veränderst, kannst du den Ton verändern", belehrte ihn ZR und machte es RZ ganz langsam vor. Der war nun schon ganz nah an ZR’s Mundpfeife, um ja auch alles ganz genau zu sehen.

Als RZ glaubte, genug gesehen zu haben, stopfte er den längsten Zeh seiner rechte Pfote in ZR’s pfeifenden Mund, um ihn zum Schweigen zu bringen. "Lass’ mich mal probieren!", gab er ihm zu verstehen. Doch kaum hatte er angefangen, da verdunkelte sich plötzlich der Himmel über ihnen. Unbemerkt hatte sich eine Eule ihnen im Tiefflug genähert und ergriff nun mit ihren scharfen Krallen den verdutzten ZR, der noch immer die Lippen zum Pfeifen geöffnet hatte. Fast hätte die Eule auch noch RZ erwischt, doch der konnte sich mit einem beherzten Sprung gerade noch rechtzeitig retten. Schnell war der Spuk wieder vorbei. RZ konnte ZR’s Pfeifen noch ein Weile hören. Doch als die Eule sich auf ihrem Hochsitz nieder gelassen hatte, verstummt das Pfeifen.

Jetzt war schnelle Hilfe angesagt, denn ZR war in höchster Lebensgefahr. Gut, dass RZ wusste, wo die Eule ihren Stammplatz hatte. Weit hatte er es nicht bis dahin. So schnell er konnte, flitzte er über den Walboden und kletterte in Windeseile den Eulen-Baum empor. Gerade konnte er im fahlen Mondlicht sehen, wie die Eule ihren scharfen Schnabel öffnete, um ZR zu verspeisen. RZ sammelte seine letzten Kräfte und sprang die Eule an. Die ließ vor Schreck ihre Beute fallen und hüpfte auf den nächsten Ast. Diese Zeit reichte RZ, um wieder auf dem Waldboden zu sein, wo ZR regungslos lag. "Komm, alter Freund! Du darfst jetzt nicht schlapp machen!", zischelte er ZR ins Ohr. Dann schleppte er ihn unter eine nahe Wurzel, wo sie erst einmal in Sicherheit waren.

Es dauerte schon eine ganze Weile, ehe ZR wieder seine Augen öffnete. "Was ist denn passiert?", fragte er noch immer ganz benommen. "Die Eule hat dich erwischt, weil wir so laut gepfiffen haben", flüsterte ihm RZ zu und streichelte ihm sanft über die rotgrauen Kopfhaare. "Das kriegen wir aber schon wieder hin", fügte er tröstend hinzu. Dann deckte er ZR mit zwei großen Ahornblättern zu und legte seinen etwas verkratzten Kopf auf ein fettes Moospolster. So konnten sich beide von den Strapazen erholen und gespannt dem nächsten Tag entgegen schlummern.

3. Doktor Zitzelwitz weiß Rat

ZR hatte in der Nacht kaum ein Auge zu gemacht, so sehr hatte ihn die Eule zugerichtet. Auch sein rechtes Bein konnte er kaum bewegen, so schmerzte es ihn. Zum Frühstück hatte RZ etwas Leckeres herbei geschafft, doch ZR hatte keinen Hunger. "Ich glaube, mein Bein ist gebrochen!", meinte er mit Schmerz verzerrtem Gesicht. RZ sah seinen Freund ratlos an. „Wie soll ich dich denn da hinbringen?", fragte er und legte seine Eichhörnchen-Stirn in Falten. "Wenn ich nicht zum Doktor kann", meinte ZR allwissend, "dann muss der Doktor halt zu mir kommen!"

RZ machte sich gleich auf den Weg zu Dr. Zitzelwitz (ZW), dem Eichhörnchen-Doktor. Der Doktor war ein weiser Mann. Er wusste immer einen Rat und war auch immer gleich zur Stelle, wenn man ihn brauchte. Er hörte RZ aufmerksam zu, als dieser von den schrecklichen Erlebnissen der letzten Nacht berichtete. Dann nahm er seine Doktortasche, setzte seine dicke Hornbrille ab, um den Helm mit dem Blaulicht oben drauf besser aufsetzen zu können. Wenn er so durch den Wald flitzte, wussten alle Tiere, dass er auf dem Weg zu einem Unfall war, und machten schnell Platz.

RZ, hatte Mühe, dem Doktor zu folgen, so schnell war der unterwegs. Dr. ZW musste scharf bremsen, um nicht an ZR’s Versteck vorbei zu zischen. "Wo brennt’s denn?", wollte er von ZR gleich wissen. ZR deutete auf die schmerzende Stelle und sah den Doktor mit flehenden Augen an. "Das haben wir gleich", meinte Dr. ZW vielsagend. "Zunächst gebe ich dir ein paar von diesen Fliegenpilz-Tropfen. Die sind gegen die Schmerzen. Dann werde ich dein Bein schienen, damit es besser heilen kann."

Die Tropfen schmeckten ZR scheußlich, aber schon bald setzte ihre Wirkung ein. Als ihm Dr. ZW das Bein mit ein paar dünnen Ästen und Binsen schiente, verspürte er kaum noch Schmerzen. "Danke, Doktor!", sagte er noch mit piepsiger Stimme und fiel dann gleich in einen tiefen Schlaf. "Das mit dem Bein kann schon zwei-drei Woche dauern. Er darf sich nicht viel bewegen und ist auf deine Hilfe angewiesen", meinte Dr. ZW und sah RZ nachdenklich an. "Kein Problem! Dann sorge ich halt für zwei", antwortete RZ zuversichtlich und wollte dem Doktor eine Walnuss beim Abschied geben. Doch dieser lehnte ab, weil er erst vor kurzem gefrühstückt hatte.

4. Die Stinkmorchel

RZ verbrachte die ganze Nacht an der Seite seines kranken Freundes. Immer wieder wachte er auf und schaute sorgenvoll nach ZR. Doch der schlief tief und fest. Nur ab und zuckte er mal zusammen. "Wahrscheinlich fühlt er sich noch von der dämlichen Eule verfolgt", dachte RZ bei sich und deckte ZR wieder behutsam zu.

Die nächsten Tage vergingen damit, dass RZ nur selten das gemeinsame Lager unter der Baumwurzel verließ, um sich auf Nahrungssuche für sich und seinen Freund zu machen. Ihn quälte auch der Gedanke, dass sie beide dort auf dem Boden nur wenig geschützt waren vor anderen Räubern, die hungrig umher streiften und nach Beute suchten. Da fiel sein Blick auf eine alte Stinkmorchel, der er vorgestern noch ausgewichen war, als ihr fürchterlicher Geruch ihm in die Nase gestiegen war. Diesmal näherte er sich ihr vorsichtig, wobei er sich mit der einen Pfote die Nase fest zuhielt. Kaum war er bei der Morchel angelangt, brach er sie mit der anderen Pfote ab und nahm sie ins Schlepptau Richtung Krankenlager.

ZR wachte sofort wegen des fürchterlichen Gestanks auf. „Bist du wahnsinnig!“, fauchte er RZ an. "Willst du mich erstinken?" - "Nun mal ruhig, alter Knabe!" beschwichtigte ihn RZ. "Du kannst wählen zwischen dem Gestank dieser grässlichen Morchel oder dem unvermeidlichen Schicksal, demnächst vom Fuchs gefressen zu werden!" ZR, der sich mittlerweile auch die Nase zuhalten musste, überlegte nicht lange. „OK, ich wähle das kleinere Übel. Aber lass dir was einfallen, damit wir beide nicht erstinken!"
 
RZ war es jetzt egal, wie sehr er schon selber stank. Er brach die Stinkmorchel in mehrere Teile u. verbreitete die Brocken rund um ihr Versteck. Dabei achtete er sehr genau darauf, dass die Haut der Morchelteile nach innen schauten u. die fleischigen Innenteile nach außen. So war der Gestank für ihn u. ZR nur halb so schlimm, für die anderen Tiere in ihrer Nähe aber viel Ärger.

Nach vollbrachter Tat
musste RZ erst einmal ein Vollbad in einer nahe Pfütze nehmen, um sich wieder von dem ekligen Morchelgeruch zu befreien. Um diesen Vorgang zu beschleunigen, zerrieb er noch ein paar Fichtennadeln u. streute sie ins Wasser. Er blieb lange im duftenden Wasser liegen, weil er sich schon selbst nicht mehr hatte riechen können. Als er nach 1 Stunde Bad wieder zum Vorschein kam u. sich lange geschüttelt hatte, konnte man richtig sehen, dass er sich wohler fühlte. Besser gesagt: Man konnte es riechen ..

5. Futterknappheit

Tage und Wochen vergingen. RZ hatte sich rührend um ZR gekümmert und ihm jeden Wunsch von den Augen abgelesen. ZR konnte sogar schon ein bisschen auf einer Krücke umher humpeln. Er hatte auch wieder Farbe in seinem Gesicht und an Gewicht etwas zugelegt. RZ’s Futter, das er jeden Tag herbei schaffte, war ja auch schmackhaft und reichlich.

Zu Beginn der 3. Woche machten sich RZ und ZR auf den Weg zu Dr. ZW, um das gebrochene Bein untersuchen zu lassen. Dr. ZW war auch sehr zufrieden mit dem Heilungsprozess, verordnete aber ZR noch Ruhe und wenig Bewegung, damit er das kaputte Bein noch schonen konnte.

Um sich ihre Langeweile ein bisschen zu vertreiben, erzählten sich ZR und RZ Geschichten oder sie pfiffen um die Wette, denn sie wussten ja, dass sie ein sicheres, wenn auch stinkendes Versteck hatten. Manchmal pfiff der erfahrenere ZR auch die zweite Stimme zu dem, was RZ pfiff, aber das brachte den des öfteren etwas durcheinander. So pfiffen sie wieder gemeinsam.

Nach solchen Pfeifübungen hatten die beiden Eichhörnchen regelmäßig großen Hunger, sodass sich RZ auf die roten Socken machte, um einen seiner Fressvorräte wieder zu plündern. Dabei stellte er betrübt fest, dass ihr Winterfutter langsam zu Ende ging und wohl vor Weihnachten alle sein würde. So beschlossen sie, weniger zu essen, um das Ende hinaus zu zögern. Doch auf Dauer war das keine Lösung.

Der alte ZR hatte schließlich eine Idee. Er wusste, dass schon bald nach dem ersten Schnee Leute mit Sägen und Äxten in den Wald kamen, um Tannenbäume zu schlagen. Die fuhren sie dann auf großen Lastwagen in die Stadt, wo sie als Weihnachtsbäume verkauft wurden. Das wäre die Gelegenheit, erklärte ZR dem andächtig lauschenden RZ, wo sie sich in die Wohnzimmer der Menschen einschleichen konnten, um nach Nahrung zu suchen. Denn dass wusste ZR auch: Zur Weihnachtszeit waren die Tische bei den Menschen immer voll mit Lebkuchen, Mandeln und Äpfeln. Jetzt brauchten sie sich nur noch auf die Lauer zu legen und zu warten ...

6. Der richtige Tannenbaum

ZR spürte schon an seinen Narben im Bein, dass sich das Wetter ändern würde. Die Tage wurden auch immer kürzer und die Nächte immer länger. Jetzt war es höchste Zeit, dass die Leute mit den Äxten kämen, um nach geeigneten Weihnachtsbäumen Ausschau zu halten. Dann fiel auch der erste Schnee: Große Flocken rieselten leise aus dicken Wolken zur Erde nieder und verzauberten die Landschaft mit einer glitzernden Schneedecke.

Gebannt schauten die beiden Eichhörnchen aus ihrem Versteck, so schön wurde alles um sie herum. Schon bald tollten sie im Schnee herum und vergaßen alle Vorsicht. Sie hatten Glück, denn die Eule hatte sich wegen des Gestanks, der jeden Tag den Stamm bis zur ihrem Sitzplatz nach oben drang, schon bald einen anderen Ruheplatz gesucht. Gerade waren RZ und ZR dabei, ein übergroßes Eichhörnchen aus Schnee zu formen, als sie plötzlich menschliche Stimmen hörten und stampfende Schritte verspürten. Jetzt mussten sie sich beeilen, um die Reise Richtung Stadt nicht zu verpassen.

Noch ehe die Waldarbeiter bei den Tannenbäumen waren, waren RZ u. ZR schon im Geäst einer besonders schönen Edeltanne verschwunden und warteten gespannt auf die menschlichen Gestalten. Da ertönte auch schon die Stimme des Försters ganz in ihrer Nähe: "Passt bitte bei den Edeltannen besonders auf beim Sägen! Die bringen nämlich mehr Geld als die Fichten da drüben.“ "OK, Boss!", war die Antwort der anderen und schon legten sie los.

Ängstlich klammerten sich RZ und ZR an ihren Stamm und warteten auf ihr weiteres Schicksal. Sie mussten auch nicht lange warten, denn schon griff eine menschliche Hand mit einem dicken Fausthandschuhe durch das Geäst ihrer Tanne und schüttelt ihr kräftig die Schneehaube ab. Den beiden Eichhörnchen verging fast Hören und Sehen, so heftig ging es hin und her. Nur mit größter Anstrengung konnten sie ihren Platz behaupten. Dann wurde die Edeltanne etwas zur Seite gebogen, sodass sie das Gesicht des Waldarbeiters aus kurzer Entfernung sehen konnten: Es war ein Mann so um die 40 Jahre mit schwarzen, kurz geschorenen Haaren und einem kleine Oberlippenbart. "Den nehme ich. Der ist richtig für Katharina und Maxi!", hörten sie ihn murmeln. Und schon erklang die Säge und wenige Minuten später lag die Edeltanne um mitsamt den beiden Eichhörnchen.

Was dann folgte, war der Oberstress für RZ und ZR. Denn nun trug der Mann mit dem Oberlippenbart sie in ihrem Baumversteck zu seinem blauen Auto, das er am Waldrand abgestellt hatte. Bei jedem seiner schweren Schritte wippte die Edeltanne ein kurzes Stück nach oben und nach unten, sodass RZ richtig schlecht wurde. Du kannst jetzt nicht kotzen!", schimpfte ihn ZR leise, „sonst rutscht der Mann noch aus und wir liegen im Dreck!" So kämpfte RZ tapfer gegen die aufkommende Übelkeit, bis sie endlich beim Auto angelangt waren. Die Heckklappe ging auf und als sie wieder zuknallte, wurde es dunkel um die beiden Eichhörnchen. "Gottseidank, nicht auf den Weihnachtsbaummarkt zu den anderen!", murmelte ZR etwas aufmunternd zu RZ, den er neben sich spürte. "Jetzt geht es gleich in Richtung prall gefüllter Teller!" Doch RZ war der Appetit nach allen Leckereien vergangen, weil ihm immer noch speiübel war.

7. Bei Katharina und Maxi zu Hause

Es dauerte nicht lange u. der Wagen hielt wieder. Der Kofferraumdeckel ging auf, sodass grelles Tageslicht den beiden Eichhörnchen in die Augen drang. Jetzt nur keinen Laut, sonst waren sie verraten! Die kräftige Hand des bärtigen Mannes packte wieder zu und beförderte den wippenden Tannenbaum um eine Hausecke herum. RZ u. ZR waren so gespannt auf die kommenden Ereignisse, dass sie nicht mehr an RZ’s Übelkeit dachten.

Kaum hatte der Mann den Tannebaum vor der Wohnzimmertüre abgestellt, da ertönten auch schon zwei helle Kinderstimmen: "Der Papi ist da, der Papi ist da!", riefen sie und tanzten mit ihren Hausschuhen um den Baum herum. "Ist der schön!", rief Maxi und Katharina streichelten die dampfenden Äste des Baumes. Dabei hätte sie fast RZ’s Schwanzspitze erwischt, denn die war ja jetzt wieder so grün wie die Tannenzweige um ihn herum. Eine junge Frau erschien in der Tür und sagte freundlich: "He, ihr drei, kommt doch rein! Da draußen ist es doch zu kalt. Du, Martin, dann kannst du den Baum ja gleich in die Ecke stellen, die die Kinder für den Baum frei geräumt haben!"

Plötzlich wurde es warm um den Baum. Mit einem Ruck blieb er stehen, als ihn Martin in den großen Ständer stellte und fest schraubte. "Na, Katrin, wie gefällt er dir?", fragte Martin seine Frau mit stolzem Blick. "Da hast du uns aber einen schönen Baum mitgebracht", sagte Katrin anerkennend und streichelte Martin sanft über die Hand. Da werden sich auch Jane und Kristina freuen, wenn sie auch hier sind!", ergänzte sie. "Na, ich weiß nicht", sagte Martin etwas nachdenklich, "ich habe das Gefühl, dass die mit Weihnachten nicht mehr viel anfangen können. Die sind doch schon groß und haben andere Dinge im Kopf!" - "Wart’s doch erst einmal ab, bis die Lichter brennen!“, versuchte Katrin ihren Mann etwas zu beschwichtigen. Und dann verließen alle das Wohnzimmer, so als wollten sie etwas suchen.

Jetzt hatten RZ und ZR endlich Zeit, um sich in dem Zimmer etwas umzuschauen, vor allem nach etwas Fressbarem, damit ihre knurrenden Mägen sie nicht verrieten. "Da drüben! Schau mal, Zottelrock! Kannst du die Schale sehen mit den vielen Nüssen und Äpfeln?", sagte RZ mit erregter Stimme, "das wäre doch was für uns!" - "Ne, kann ich nicht", maulte ZR, denn seine Augen waren schon schwach. "Aber riechen kann ich sie", sagte er grantig und folgte RZ vorsichtig mit seinem immer noch geschienten Bein in Richtung der Schale.

Kaum hatten sie den Tisch erklommen, da hörten sie die Stimmen auch schon wieder kommen. Jetzt war Eile angesagt. RZ war als erster bei der Schale und griff sich eine dicke Haselnuss. ZR aber hatte Mühe, die glatte Schale zu überwinden. Er rutschte aus und kippte dabei den ganzen Inhalt um. Wäre da nicht der Teppichboden gewesen, der den Fall von Äpfeln und Nüssen bremste, wäre es jetzt Schluss mit der Heimlichtuerei. Ein Teil der Kostbarkeiten rollte unter den Schrank, unter den auch RZ und ZR gerade noch schlüpfen konnten, ehe die Menschen wieder zurück im Zimmer waren. Jetzt hatten sie erst einmal genug zum Fressen und geschützt waren sie auch.

8. Die Entdeckung

Zunächst waren alle Menschen zu sehr damit beschäftigt, den Tannenbaum zu schmücken. Doch dann, als er immer weniger Platz für bunte Kugeln und Lichterketten war, entdeckte Katrin die Bescherung auf dem Teppichboden. Entsetzt schlug sie die Hände vor dem Mund zusammen und riss die Augen auf. Sie hatte sofort einen Verdacht. "Maxi!", rief sie mit drohender Stimme, "mein lieber Freund! Das warst doch bestimmt wieder du! Jetzt holst du sofort Nono, den Staubsauger, und machst den Dreck wieder weg!" Maxi’s Protest half nichts. Er musste tun, was seine Mutter verlangte. Katharina ging auch gleich mit, denn die fühlt sich automatisch mitschuldig, obwohl sie diesmal wie ihr Bruder Maxi ein reines Gewissen hatte.

Beide Kinder schleppten schwer, als sie Nono ins Zimmer bugsierten. Um besser unter den Schrank zu kommen, nahm ihre Mutter das sperrige Vorderstück vom Staubsauger ab. Dann steckte sie den Stecker in die Wanddose. Der Staubsauger heulte auf. Maxi kniete sich nieder, um mit dem Rohr besser unter den Schrank zu kommen. Plötzlich machte es Plopp! und noch einmal Plopp! und nichts ging mehr. "Nanu! Was war das denn?", wollte Katrin wissen und zog den Stecker wieder raus. "Vielleicht waren das die Socken vom Papi, die wir schon so lange gesucht haben?!" Martin kam neugierig hinzu und öffnete mit ein-zwei Handgriffen den Sauger, um an den Staubbeutel zu kommen. Was sie alle dann sahen, verschlug ihnen die Sprache!

Normaler Weise kann man in die dunkle Öffnung des Staubsaugers hinein schauen, um zu sehen, ob noch Platz drin ist. Doch diesmal war die Öffnung versperrt. Erst konnten sie nicht erkennen, was dort sich eingeklemmt hatte. Aber dann dämmerte es Martin als erstem: „Das ist doch das Hinterteil eines Eichhörnchens!“, sagte er zögerlich und versuchte, den Vorderteil durch vorsichtiges Drehen auch zu Tage zu befördern. Und wieder machte es Plopp!, als er RZ ganz draußen hatte. Der musste sich erst mehrmals kräftig den Staub aus seinem diesmal grauen Fell schütteln, ehe er Martin ängstlich ansehen konnte.

"Wo einer ist, da sind auch zwei", meinte Martin danach vielsagend, übergab der zögerlichen Katrin das Eichhörnchen und zwängte seine Hand zurück in den Staubbeutel. Schon nach kurzer Zeit machte es wieder Plopp! und ZR kam auch zum Vorschein. "Donnerwetter, das nenne ich eine Überraschung!" rief Martin überrascht und wollte beide schnell vor die Türe setzen, um ihnen die Freiheit wieder zu schenken. Doch Maxi und Katharina fielen ihrem Vater in den Arm: "Nein, Papi, nein!", riefen beide wie aus einem Mund. "Hast du denn nicht gesehen, dass das eine Eichhörnchen verletzt ist?! Das müssen wir erst wieder gesund pflegen!" Martin hielt inne und betrachte ZR’s rechtes Bein. "Schaut mal," sagte er besorgt, "das sieht ja so aus, als wäre es notdürftig geschient!" Leise quietschte ZR, als Martin ihn am Bein berührte. "Nicht so grob, Martin! Gib’ mal her!" sagte Katrin schließlich. "Hol’ schon mal den Verbandskasten. Ich schau mir den kleinen Kerl mal näher an.“

9. Die beiden Asylanten

ZR’s Verletzung schien nicht so schlimm, wie alle befürchtet hatten. Katrin streute etwas Jod-Pulver auf die Stelle, die noch nicht ganz verkrustet war und wickelte schließlich noch ein Stück Wundverband drum herum. Dann gab sie ZR ein kleinen Klapps, sodass dieser sich wieder zu rühren begann und nach RZ Ausschau hielt.

RZ hatte in der Zwischenzeit auf der Fensterbank im Schutz der großen Topfpflanzen gehockt und zugesehen, wie Katrin seinen Freund verarztete. Kaum war der Platz um ZR wieder Menschen leer, schoss er zu ihm, um sich nach ihm zu erkundigen. "Geht schon", gab ZR ihm zu verstehen, "bald bin ich wieder ganz der Alte.“ Dann machten sich beide über die kleinen Schüsseln Erdnüsse her, die Maxi und Katharina ihnen auf dem Boden zurecht gestellt hatten. "Hau’ rein, alter Knabe, damit du wieder zu Kräften kommst! Wer weiß, wann es wieder so etwas Edles zum Futtern gibt", meinte RZ und schob sich schon die nächste Erdnuss zwischen die Zähne.

Nach dem Essen verspürten RZ und ZR eine große Müdigkeit in sich aufsteigen. Doch wohin in diesem Durcheinander von Schachteln und Kartons? Martin musste wohl gespürt haben, wonach die beiden sich nun sehnten. Er suchte einen Schuhkarton, der eben noch bunte Kugeln enthalten hatte. Er füllte ihn mit restlichen Tannenzweigen aus, verstreute noch ein paar Nüsse darin und auch ein Stückchen Apfel. Dann schnitt er einen kleinen Eingang in die Vorderseite, sodass auch ZR ohne große Mühe hinein konnte. Kaum hatten die beiden Eichhörnchen Platz genommen, verfrachtete Martin den Schuhkarton samt Eichhörnchen unter den Weihnachtsbaum, um sie in Ruhe zu lassen. Es dauerte auch nicht lange, dann schlummerten die beiden Asylanten ein. Sie hatten jetzt wohl auch keine Angst mehr vor den Menschen, sondern genossen die Geborgenheit im Schutz einer Familie.
 

10. Die Auswilderung

RZ und ZR ging es in der Familie richtig gut. Maxi und Katharina kümmerten sich liebevoll um die beiden, wenn sie aus der Schule bzw. aus dem Kindergarten kamen. Sie schauten nach, ob noch genügend Eichhörnchenfutter im Napf war oder genügend Wasser im Schälchen. Sie spielten auch oft Verstecken mit ihnen, was ihnen besonders viel Spaß machte, denn das Haus war groß genug und voller Winkel, um sich stundenlang zu verbergen.

Schon bald brauchte ZR auch keinen Verband mehr. Er konnte schon wieder ohne große Mühe in der Wohnung umher rennen und auf Tische und Sofas klettern. Dann konnte es vorkommen, dass Katrin zu schimpfen anfing, wenn ihre Kinder mit den Eichhörnchen um die Wette rannten und dabei die Wohnung verwüsteten. "Das kann so nicht weiter gehen, Martin! Irgendetwas muss geschehen, sonst herrscht bei uns demnächst das Chaos im Haus." Martin schüttelte nachdenklich den Kopf. "Ja", sagte er schließlich. "Das Problem ist nur, dass Maxi und Katharina sich so an unsere Haustiere gewöhnt haben, dass sie tief traurig wären, wenn die beiden Eichhörnchen nicht mehr da wären. Vielleicht hilft ja ein Zufall!"

RZ und ZR hatten alles mit angehört und wurden nun auch nachdenklich. Was konnten sie tun, um der Familie nicht weiter zur Last zu fallen? Als echte Eichhörnchen mussten sie Platz haben, um sich auszutoben, aber dafür wurde es in dem Menschenhaus zu eng. Den Kontakt zu der Familie wollten sie aber nicht verlieren wegen der Kinder. "Wir müssen aus dem Haus raus!", sagte der weise ZR zu seinem ratlosen Freund. "Wir können ja im Garten in den Bäumen hin und her jagen. Dann sind wir auch in der Nähe der Kinder. Und die beiden werden uns schon nicht verhungern lassen. Du wirst schon sehen!" RZ zögerte zwar noch etwas, aber der Rat seines Freundes leuchtete ihm ein. Also warteten sie auf eine günstige Gelegenheit.

Morgen Vormittag würden alle wieder aus dem Haus sein: Katrin und Martin auf der Arbeit, Jane u. Kristina in der Schule und Katharina auch. Nur Maxi war mit seinen 6 Jahren noch im Kindergarten. Kaum war es still im Haus, hopsten sie durch alle Räume, um nach einem Durchschlupf zu suchen. Im Keller fanden sie schließlich ein geöffnetes Fenster. Das ließ Martin immer offen wegen des lästigen Ölgeruchs aus dem Heizungskeller. Schnell kletterten sie die raue Wand hoch und sprangen durch das geöffnete Fenster auf den weichen Schneeboden. Bis zu den hohen Bäumen im Garten war es nicht weit. Und Schwupps! waren sie oben, um gleich ihre neue Umgebung auszukundschaften und auf ihre Tauglichkeit als Tummelplatz hin zu überprüfen. Alles konnte ihnen gefallen und. so warteten sie den gespannt auf die Heimkehr der Kinder.

Katharina war als erste da. Sie hatte ja auch einen Schlüssel zur Wohnung. Hastig warf sie ihren Ranzen in die Ecke, um gleich nach RZ und ZR zu schauen. Doch, so sehr sie auch rief und so gründlich sie auch suchte: Die Eichhörnchen ließen sich nicht blicken! Traurig wartete sie auf die Heimkehr der anderen. Alle machten sich nun auf die Suche, doch vergebens! "Vielleicht sind sie abgehauen", meinte Maxi als erster. Und schon war er draußen auf der Terrasse und suchte nach Spuren im Schnee. Da waren sie auch! Sie zeigten in Richtung der drei hohen Bäume gleich neben dem Haus. "Hierher! Hierher!", rief er aus Leibeskräften. "Ich habe sie gefunden! Da oben sind sie!"

Nun standen alle im Garten und schauten hoch zu den Baumwipfeln. Die bewegten sich auch merklich und nur Sekunden später landeten RZ und ZR gleichzeitig auf dem Erdboden. Ohne Scheu sprangen sie auf die Menschen zu und ließen sich ohne Zögern streicheln. Maxi kramte in seiner Hosentasche nach und warf den beiden Eichhörnchen ein paar Nüsse zu, die er seit Wochen immer bei sich trug. Doch als Katharina sie wieder ins Wohnzimmer locken wollte, zögerten RZ und ZR. merklich. "Lass mal, mein Schatz!", sagte ihre Mutter Katrin mit besänftigender Stimme, "die wollen jetzt lieber wieder in Freiheit leben. Es sind ja auch keine Haustiere. Wir können sie ja hier draußen füttern, solange es Winter ist." Katharina nickte, doch ihr Mund bildete eine kleine Schnute, weil sie traurig war. Auch Maxi schien traurig zu sein, denn nun hatte das Toben im Haus ein Ende.

Sie zogen sich allesamt wieder ins Haus zurück. Hinter den Fensterscheiben konnte Katharina u. Maxi noch lange Zeit sehen, wie RZ u. ZR im Schnee herum tollten u. die Baumstämme hoch u. runter sausten. "Ja, ja", meinte Maxi etwas Gedanken versunken zu seiner Schwester. "Eichhörnchen müsste man sein!" Doch seine Schwester sagte nichts, weil ihr eine Träne die Wange runter kullerte ...

10. Die Weihnachtsüberraschung

Dann war endlich der ersehnte Abend da. Es wurde still auf den Straßen und eine geheimnisvolle Spannung lag in der Luft.

Draußen rieselte leise der Schnee und überdeckte alle Spuren, auch die, die nicht von menschlichen Füßen stammten. Doch halt! Hatten nicht die kleinen Spuren in Richtung Haus gezeigt?! Waren am Ende die beiden Eichhörnchen doch zurück gekehrt, weil es draußen zu kalt war? Katharina und Maxi schauten sich fragend an und setzten sich an den festlich geschmückten Tisch, obwohl ihnen vor Aufregung der Appetit vergangen war.

Doch was war das? Erst hörte es nur Martin, dann auch noch Katrin, weil die dem Lichterbaum am nächsten saßen. Als auch noch Kristina und Jane zu schnattern aufhörten, hörten es alle: Ein leises Pfeifen, wie es nicht schöner hätte klingen können. Gebannt lauschten alle dem kleinen Pfeifkonzert, das aus dem Weihnachtsbaum drang und die festliche Musik im Radio begleitete. "Das kann doch nicht sein!", sagte Martin nach einer Weile, "Eichhörnchen, die pfeifen können, gibt’s doch gar nicht!" - "Vielleicht doch!“, meinte seine Frau Katrin vielsagend. Martin war schon aufgestanden, um den Baum einer genaueren Prüfung zu unterziehen. Als er die Tannenzweige vorsichtig auseinander bog, erkannte er tatsächlich RZ und ZR und sah, wie sie einträchtig beieinander hockten und miteinander pfiffen. "Da, schaut euch das an! Na, das nenne ich eine gelungene Weihnachtsüberraschung!"

Katharina und Maxi sprangen auf, um ihre alten Freunde mit eigenen Augen zu sehen. Kaum hatten sie ihre Köpfe in die richtige Höhe gestreckt, als RZ und ZR sie erkannten und flux auf ihre Schultern sprangen. Das war der Startschuss für eine wilde Hetzerei durch das ganze Haus, wie sie vor ein paar Wochen nicht hätte schlimmer sein können. Hätte Katrin nicht irgendwann einmal energisch "Schluss jetzt!!!" gerufen, hätte das ganze Haus Kopf gestanden. Keuchend setzten sich Maxi und Katharina auf den Teppichboden, um möglichst nahe bei RZ und RZ zu sein.

Dann folgte die Bescherung, obwohl die eigentliche Weihnachtsbescherung ja schon vorbei war. Jeder hatte etwas zum Auspacken: Katrin ein Fläschchen Parfum, Martin einen gestreiften Schlips, Jane einen bunten Bikini, Kristina ein rosa Nachthemd, Katharina ein glitzerndes Armkettchen und Maxi einen Pulli mit einem großen Ritter drauf. Nur die Eichhörnchen saßen da und hatten nichts zum Auspacken. Doch! Katrin erinnerte sich an die Stelle, wo sie die Schokolade vor ihren kleinen Naschkatzen versteckt hatte.

Wenig später lag vor RZ und ZR ein Riesen Tafel Nuss-Schokolade. Man konnte richtig spüren, wie den beiden das Wasser im Mund zusammen lief, als sie diese Köstlichkeit vor sich ausgebreitet sahen. Im Nu hatten sie mit ihren scharfen Krallen das störende Papier entfernt und machten sich über die Leckerei her. Ganz schafften sie den Brocken nicht, so sehr sie sich auch bemühten. Ermattet setzten sie sich schließlich auf ihre Hinterpfoten und hielten sich die Eichhörnchenbäuche. Am liebsten wären sie jetzt wieder auf ihrem Baumstamm, dachten beide. "Komm, Alter!", flüsterte ZR seinem schlappen Freund zu. "Lass uns gehen. Die Menschen wollen jetzt auch ihre Ruhe haben. Da können wir nur stören!"

Als RZ und ZR sich diesmal auf die Wohnzimmertür zu bewegten, sprangen sie nicht wie sonst, sondern schleppten sich mit schweren Schritten. Diesmal hinderte sie keiner am Weggehen, weil sie ja nur ihrem Freiheitstrieb folgten. Auf der Türschwelle drehten sie sich noch einmal um und pfiffen ein Abschiedslied. Diesmal ohne Begleitmusik aus dem Radio und diesmal auch zweistimmig. Alles klappte wie am Schnürchen, so als hätten sie jeden Tag geübt. Maxi und Katharina klatschten vor Freude in die Hände und winkten ihnen nach, als sie mühsam den Stamm des Schlafbaumes empor klommen. "Danke!" riefen sie noch, doch RZ und ZR hörten sie nicht mehr. Sie mussten wohl schon vom Schlaf übermannt worden sein ...

- ENDE -

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen