Sonntag, 30. Oktober 2011

Ruckizuck und Zottelrock

1. Der Beginn einer Freundschaft

Ruckizuck (RZ) war kein gewöhnliches Eichhörnchen. Er war zwar so klein und so flink wie jedes Eichhörnchen, aber das Besondere an RZ war, dass er die Farbe seines Fells schnell ändern konnte, je nachdem, wo er sich gerade befand. War er auf dem Boden, um nach Bucheckern zu suchen, dann war er so braun wie das welke Laub. Wenn er aber in grünen Zweigen umher tollte, dann färbte sich sein Fell so grün wie das Nadelkleid einer Tanne. Ja sogar, wenn RZ durch die Luft segelte, dann war sein Fell so hell wie die Wolken, die am Himmel vorbei zogen. Man hätte glauben können, dass nur ein schwarzes Augenpaar durch die Lüfte flog, so unsichtbar schien RZ zu sein.

Wie alle Eichhörnchen fing RZ im Herbst an, sich für den kommenden Winter einen Nahrungsvorrat anzulegen. Nach Eichhörnchenart sammelte er jeden Tag mehr Futter als er brauchte, um satt zu werden. Den Überschuss versteckte RZ überall, wo er ihm sicher schien: In Asthöhlen alter Bäume, wo er die Nahrung mit Moos bedeckte oder auf dem Waldboden, wo er den Vorrat mit alten Blättern tarnte. So wuchs die Zahl der Verstecke immer mehr und RZ hatte Schwierigkeiten, sich alle Verstecke zu merken.

Was RZ aber in seinem Eifer nicht bemerkte, war das alte Eichhörnchen Zottelrock (ZR), das schon lange nicht mehr von Baum zu Baum hüpfen und seine Nahrung nur noch auf dem Erdboden suchen konnte. Da lag aber auch nur noch altes Zeug herum, was die anderen Tiere des Waldes verschmäht oder bis auf wenige Reste verspeist hatten. Voller Neid beobachtete er RZ, wie er umher jagte und ständig mit vollen Backen an ihm vorbei zischte. Sobald aber RZ für kurze Zeit mal außer Sichtweite war, kroch ZR aus seinem Unterschlupf und machte sich hungrig über die Vorräte her, die RZ irgendwo im Erdboden vergraben hatte. So konnte ZR einigermaßen satt werden und RZ’s Vorräte schmeckten allemal besser als die faulenden Reste um ihn herum.

RZ bemerkte angesichts der Unzahl seiner Verstecke zunächst gar nichts von dem Verlust. Es konnte sogar vorkommen, dass er in manchen Vorratskammern mehrmals Nahrung ablegte, weil ihm in der Eile nicht aufgefallen war, dass sie immer wieder leer waren. Doch als der erste Schnee fiel und die Nahrungssuche immer schwieriger wurde, musste RZ ab und zu doch schon mal seine Vorräte anknabbern, um satt zu werden. Natürlich klapperte er zunächst die Verstecke ab, die ihm am nächsten lagen. Aber weil er jetzt öfters vorbei kam, fiel ihm doch schon auf, dass etwas nicht stimmen konnte. Mal waren die Lager leer oder die Hälfte des Vorrats war weg. So legte sich RZ auf die Lauer, um zu sehen, was dahinter steckte.

Weil ja RZ’s Tarnung perfekt war, konnte ZR auch nicht sehen, von wem er bei seinem nächsten Raubzug beobachtet wurde. Kaum hatte er ein Versteck gefunden und das Laub weg gekratzt, war auch schon RZ bei ihm und warf ihn auf den Rücken. "Erbarmen!", schrie ZR in Todesangst, "nicht zubeißen! Ich tue doch niemandem etwas zuleide." - "Doch mir!", fauchte RZ und öffnete gefährlich seine spitzen Zähne. "Du frisst mir meine Vorräte für den Winter weg, sodass ich nicht den nächsten Frühling erleben werde!" - "Ich kann dir auch etwas geben, wenn du mich verschonst!", fing ZR an zu flehen. "Du und mir was geben?! Dass ich nicht lache!", verspottete ihn RZ.

Doch jetzt war er neugierig geworden und spitzte seine spitzen Eichhörnchen-Ohren noch mehr. "Wetten, dass du nicht pfeifen kannst!?" RZ formte seine Lippen zu einem kleinen Loch zusammen, um es zu versuchen. Aber was er da heraus brachte, war nur die warme Luft aus seiner Lunge, die kleine Tröpfchen auf seinen Backenhaaren bildete. "Sag bloß, du kannst das?" wollte er jetzt von dem alten ZR wissen. "Klar doch", antwortete ZR verschmitzt. Dann spitzte er seinen Mund und holte etwas mehr Luft als sonst.

RZ blieb der Mund offen stehen, als er seinen Konkurrenten pfeifen hörte. ZR pfiff so schön, wie es ein Vogel nicht hätte besser tun können. Nicht nur ein Lied, sondern gleich drei Lieder klangen durch den novembertrüben Tannenwald, sodass alle Tiere die Köpfe hoben und den Klängen nachlauschten. "Donnerwetter!", sagte RZ mit tiefem Respekt vor ZR. "Du, das möchte ich auch können. Wenn du mir beibringst, wie man so schön pfeift, dann verschone ich dich und teile meine Vorräte mit dir!" Klar, dass ZR sofort einverstanden war und sich freute, als RZ wieder von ihm abließ. Sie schüttelten sich zum Abschied ihre Eichhörnchen-Pfoten und verabredeten sich für den nächsten Tag vor Einbruch der Dämmerung wieder an gleicher Stelle.

2. RZ lernt das Pfeifen und ZR das Fürchten

RZ war natürlich schon vor der Zeit da, wo sie sich verabredetet hatten. Er wollte unbedingt das Pfeifen lernen, um auch so bewundert zu werden wie ZR. Als die Dunkelheit schon herauf zog, traf auch ZR endlich ein. Dankbar verschlang er eine frische Haselnuss, die ihm RZ als Geschenk mitgebracht hatte. "Da, setz’ dich mal hin und pass’ genau auf, wie ich das mache!", fing ZR endlich mit der Lehrstunde an.

RZ setzte sich hin, wie ihm befohlen war, und ZR tauchte ganz nah vor RZ’s Gesicht auf. Gebannt schaute RZ zu, wie ZR seine Lippen zu einem kleinen Loch formte. Zunächst kam aber auch nur warme Luft heraus, doch als ZR begann, seine Eichhörnchen-Zunge mehr und mehr nach vorne zu schieben, wurde aus dem Ausatmen langsam ein hörbares Pfeifen. RZ probierte das nun auch. Und siehe da, schon nach wenigen Augenblicken konnte auch er einen Pfeifton seinem Mund entlocken. Gewiss, schön klang er nicht, RZ’s erster Pfeifton, weil er zu schrill war, aber immerhin. "Wenn du nun deine Zungenspitze vor- und zurück schiebst und dabei noch die Lippenöffnung veränderst, kannst du den Ton verändern", belehrte ihn ZR und machte es RZ ganz langsam vor. Der war nun schon ganz nah an ZR’s Mundpfeife, um ja auch alles ganz genau zu sehen.

Als RZ glaubte, genug gesehen zu haben, stopfte er den längsten Zeh seiner rechte Pfote in ZR’s pfeifenden Mund, um ihn zum Schweigen zu bringen. "Lass’ mich mal probieren!", gab er ihm zu verstehen. Doch kaum hatte er angefangen, da verdunkelte sich plötzlich der Himmel über ihnen. Unbemerkt hatte sich eine Eule ihnen im Tiefflug genähert und ergriff nun mit ihren scharfen Krallen den verdutzten ZR, der noch immer die Lippen zum Pfeifen geöffnet hatte. Fast hätte die Eule auch noch RZ erwischt, doch der konnte sich mit einem beherzten Sprung gerade noch rechtzeitig retten. Schnell war der Spuk wieder vorbei. RZ konnte ZR’s Pfeifen noch ein Weile hören. Doch als die Eule sich auf ihrem Hochsitz nieder gelassen hatte, verstummt das Pfeifen.

Jetzt war schnelle Hilfe angesagt, denn ZR war in höchster Lebensgefahr. Gut, dass RZ wusste, wo die Eule ihren Stammplatz hatte. Weit hatte er es nicht bis dahin. So schnell er konnte, flitzte er über den Walboden und kletterte in Windeseile den Eulen-Baum empor. Gerade konnte er im fahlen Mondlicht sehen, wie die Eule ihren scharfen Schnabel öffnete, um ZR zu verspeisen. RZ sammelte seine letzten Kräfte und sprang die Eule an. Die ließ vor Schreck ihre Beute fallen und hüpfte auf den nächsten Ast. Diese Zeit reichte RZ, um wieder auf dem Waldboden zu sein, wo ZR regungslos lag. "Komm, alter Freund! Du darfst jetzt nicht schlapp machen!", zischelte er ZR ins Ohr. Dann schleppte er ihn unter eine nahe Wurzel, wo sie erst einmal in Sicherheit waren.

Es dauerte schon eine ganze Weile, ehe ZR wieder seine Augen öffnete. "Was ist denn passiert?", fragte er noch immer ganz benommen. "Die Eule hat dich erwischt, weil wir so laut gepfiffen haben", flüsterte ihm RZ zu und streichelte ihm sanft über die rotgrauen Kopfhaare. "Das kriegen wir aber schon wieder hin", fügte er tröstend hinzu. Dann deckte er ZR mit zwei großen Ahornblättern zu und legte seinen etwas verkratzten Kopf auf ein fettes Moospolster. So konnten sich beide von den Strapazen erholen und gespannt dem nächsten Tag entgegen schlummern.

3. Doktor Zitzelwitz weiß Rat

ZR hatte in der Nacht kaum ein Auge zu gemacht, so sehr hatte ihn die Eule zugerichtet. Auch sein rechtes Bein konnte er kaum bewegen, so schmerzte es ihn. Zum Frühstück hatte RZ etwas Leckeres herbei geschafft, doch ZR hatte keinen Hunger. "Ich glaube, mein Bein ist gebrochen!", meinte er mit Schmerz verzerrtem Gesicht. RZ sah seinen Freund ratlos an. „Wie soll ich dich denn da hinbringen?", fragte er und legte seine Eichhörnchen-Stirn in Falten. "Wenn ich nicht zum Doktor kann", meinte ZR allwissend, "dann muss der Doktor halt zu mir kommen!"

RZ machte sich gleich auf den Weg zu Dr. Zitzelwitz (ZW), dem Eichhörnchen-Doktor. Der Doktor war ein weiser Mann. Er wusste immer einen Rat und war auch immer gleich zur Stelle, wenn man ihn brauchte. Er hörte RZ aufmerksam zu, als dieser von den schrecklichen Erlebnissen der letzten Nacht berichtete. Dann nahm er seine Doktortasche, setzte seine dicke Hornbrille ab, um den Helm mit dem Blaulicht oben drauf besser aufsetzen zu können. Wenn er so durch den Wald flitzte, wussten alle Tiere, dass er auf dem Weg zu einem Unfall war, und machten schnell Platz.

RZ, hatte Mühe, dem Doktor zu folgen, so schnell war der unterwegs. Dr. ZW musste scharf bremsen, um nicht an ZR’s Versteck vorbei zu zischen. "Wo brennt’s denn?", wollte er von ZR gleich wissen. ZR deutete auf die schmerzende Stelle und sah den Doktor mit flehenden Augen an. "Das haben wir gleich", meinte Dr. ZW vielsagend. "Zunächst gebe ich dir ein paar von diesen Fliegenpilz-Tropfen. Die sind gegen die Schmerzen. Dann werde ich dein Bein schienen, damit es besser heilen kann."

Die Tropfen schmeckten ZR scheußlich, aber schon bald setzte ihre Wirkung ein. Als ihm Dr. ZW das Bein mit ein paar dünnen Ästen und Binsen schiente, verspürte er kaum noch Schmerzen. "Danke, Doktor!", sagte er noch mit piepsiger Stimme und fiel dann gleich in einen tiefen Schlaf. "Das mit dem Bein kann schon zwei-drei Woche dauern. Er darf sich nicht viel bewegen und ist auf deine Hilfe angewiesen", meinte Dr. ZW und sah RZ nachdenklich an. "Kein Problem! Dann sorge ich halt für zwei", antwortete RZ zuversichtlich und wollte dem Doktor eine Walnuss beim Abschied geben. Doch dieser lehnte ab, weil er erst vor kurzem gefrühstückt hatte.

4. Die Stinkmorchel

RZ verbrachte die ganze Nacht an der Seite seines kranken Freundes. Immer wieder wachte er auf und schaute sorgenvoll nach ZR. Doch der schlief tief und fest. Nur ab und zuckte er mal zusammen. "Wahrscheinlich fühlt er sich noch von der dämlichen Eule verfolgt", dachte RZ bei sich und deckte ZR wieder behutsam zu.

Die nächsten Tage vergingen damit, dass RZ nur selten das gemeinsame Lager unter der Baumwurzel verließ, um sich auf Nahrungssuche für sich und seinen Freund zu machen. Ihn quälte auch der Gedanke, dass sie beide dort auf dem Boden nur wenig geschützt waren vor anderen Räubern, die hungrig umher streiften und nach Beute suchten. Da fiel sein Blick auf eine alte Stinkmorchel, der er vorgestern noch ausgewichen war, als ihr fürchterlicher Geruch ihm in die Nase gestiegen war. Diesmal näherte er sich ihr vorsichtig, wobei er sich mit der einen Pfote die Nase fest zuhielt. Kaum war er bei der Morchel angelangt, brach er sie mit der anderen Pfote ab und nahm sie ins Schlepptau Richtung Krankenlager.

ZR wachte sofort wegen des fürchterlichen Gestanks auf. „Bist du wahnsinnig!“, fauchte er RZ an. "Willst du mich erstinken?" - "Nun mal ruhig, alter Knabe!" beschwichtigte ihn RZ. "Du kannst wählen zwischen dem Gestank dieser grässlichen Morchel oder dem unvermeidlichen Schicksal, demnächst vom Fuchs gefressen zu werden!" ZR, der sich mittlerweile auch die Nase zuhalten musste, überlegte nicht lange. „OK, ich wähle das kleinere Übel. Aber lass dir was einfallen, damit wir beide nicht erstinken!"
 
RZ war es jetzt egal, wie sehr er schon selber stank. Er brach die Stinkmorchel in mehrere Teile u. verbreitete die Brocken rund um ihr Versteck. Dabei achtete er sehr genau darauf, dass die Haut der Morchelteile nach innen schauten u. die fleischigen Innenteile nach außen. So war der Gestank für ihn u. ZR nur halb so schlimm, für die anderen Tiere in ihrer Nähe aber viel Ärger.

Nach vollbrachter Tat
musste RZ erst einmal ein Vollbad in einer nahe Pfütze nehmen, um sich wieder von dem ekligen Morchelgeruch zu befreien. Um diesen Vorgang zu beschleunigen, zerrieb er noch ein paar Fichtennadeln u. streute sie ins Wasser. Er blieb lange im duftenden Wasser liegen, weil er sich schon selbst nicht mehr hatte riechen können. Als er nach 1 Stunde Bad wieder zum Vorschein kam u. sich lange geschüttelt hatte, konnte man richtig sehen, dass er sich wohler fühlte. Besser gesagt: Man konnte es riechen ..

5. Futterknappheit

Tage und Wochen vergingen. RZ hatte sich rührend um ZR gekümmert und ihm jeden Wunsch von den Augen abgelesen. ZR konnte sogar schon ein bisschen auf einer Krücke umher humpeln. Er hatte auch wieder Farbe in seinem Gesicht und an Gewicht etwas zugelegt. RZ’s Futter, das er jeden Tag herbei schaffte, war ja auch schmackhaft und reichlich.

Zu Beginn der 3. Woche machten sich RZ und ZR auf den Weg zu Dr. ZW, um das gebrochene Bein untersuchen zu lassen. Dr. ZW war auch sehr zufrieden mit dem Heilungsprozess, verordnete aber ZR noch Ruhe und wenig Bewegung, damit er das kaputte Bein noch schonen konnte.

Um sich ihre Langeweile ein bisschen zu vertreiben, erzählten sich ZR und RZ Geschichten oder sie pfiffen um die Wette, denn sie wussten ja, dass sie ein sicheres, wenn auch stinkendes Versteck hatten. Manchmal pfiff der erfahrenere ZR auch die zweite Stimme zu dem, was RZ pfiff, aber das brachte den des öfteren etwas durcheinander. So pfiffen sie wieder gemeinsam.

Nach solchen Pfeifübungen hatten die beiden Eichhörnchen regelmäßig großen Hunger, sodass sich RZ auf die roten Socken machte, um einen seiner Fressvorräte wieder zu plündern. Dabei stellte er betrübt fest, dass ihr Winterfutter langsam zu Ende ging und wohl vor Weihnachten alle sein würde. So beschlossen sie, weniger zu essen, um das Ende hinaus zu zögern. Doch auf Dauer war das keine Lösung.

Der alte ZR hatte schließlich eine Idee. Er wusste, dass schon bald nach dem ersten Schnee Leute mit Sägen und Äxten in den Wald kamen, um Tannenbäume zu schlagen. Die fuhren sie dann auf großen Lastwagen in die Stadt, wo sie als Weihnachtsbäume verkauft wurden. Das wäre die Gelegenheit, erklärte ZR dem andächtig lauschenden RZ, wo sie sich in die Wohnzimmer der Menschen einschleichen konnten, um nach Nahrung zu suchen. Denn dass wusste ZR auch: Zur Weihnachtszeit waren die Tische bei den Menschen immer voll mit Lebkuchen, Mandeln und Äpfeln. Jetzt brauchten sie sich nur noch auf die Lauer zu legen und zu warten ...

6. Der richtige Tannenbaum

ZR spürte schon an seinen Narben im Bein, dass sich das Wetter ändern würde. Die Tage wurden auch immer kürzer und die Nächte immer länger. Jetzt war es höchste Zeit, dass die Leute mit den Äxten kämen, um nach geeigneten Weihnachtsbäumen Ausschau zu halten. Dann fiel auch der erste Schnee: Große Flocken rieselten leise aus dicken Wolken zur Erde nieder und verzauberten die Landschaft mit einer glitzernden Schneedecke.

Gebannt schauten die beiden Eichhörnchen aus ihrem Versteck, so schön wurde alles um sie herum. Schon bald tollten sie im Schnee herum und vergaßen alle Vorsicht. Sie hatten Glück, denn die Eule hatte sich wegen des Gestanks, der jeden Tag den Stamm bis zur ihrem Sitzplatz nach oben drang, schon bald einen anderen Ruheplatz gesucht. Gerade waren RZ und ZR dabei, ein übergroßes Eichhörnchen aus Schnee zu formen, als sie plötzlich menschliche Stimmen hörten und stampfende Schritte verspürten. Jetzt mussten sie sich beeilen, um die Reise Richtung Stadt nicht zu verpassen.

Noch ehe die Waldarbeiter bei den Tannenbäumen waren, waren RZ u. ZR schon im Geäst einer besonders schönen Edeltanne verschwunden und warteten gespannt auf die menschlichen Gestalten. Da ertönte auch schon die Stimme des Försters ganz in ihrer Nähe: "Passt bitte bei den Edeltannen besonders auf beim Sägen! Die bringen nämlich mehr Geld als die Fichten da drüben.“ "OK, Boss!", war die Antwort der anderen und schon legten sie los.

Ängstlich klammerten sich RZ und ZR an ihren Stamm und warteten auf ihr weiteres Schicksal. Sie mussten auch nicht lange warten, denn schon griff eine menschliche Hand mit einem dicken Fausthandschuhe durch das Geäst ihrer Tanne und schüttelt ihr kräftig die Schneehaube ab. Den beiden Eichhörnchen verging fast Hören und Sehen, so heftig ging es hin und her. Nur mit größter Anstrengung konnten sie ihren Platz behaupten. Dann wurde die Edeltanne etwas zur Seite gebogen, sodass sie das Gesicht des Waldarbeiters aus kurzer Entfernung sehen konnten: Es war ein Mann so um die 40 Jahre mit schwarzen, kurz geschorenen Haaren und einem kleine Oberlippenbart. "Den nehme ich. Der ist richtig für Katharina und Maxi!", hörten sie ihn murmeln. Und schon erklang die Säge und wenige Minuten später lag die Edeltanne um mitsamt den beiden Eichhörnchen.

Was dann folgte, war der Oberstress für RZ und ZR. Denn nun trug der Mann mit dem Oberlippenbart sie in ihrem Baumversteck zu seinem blauen Auto, das er am Waldrand abgestellt hatte. Bei jedem seiner schweren Schritte wippte die Edeltanne ein kurzes Stück nach oben und nach unten, sodass RZ richtig schlecht wurde. Du kannst jetzt nicht kotzen!", schimpfte ihn ZR leise, „sonst rutscht der Mann noch aus und wir liegen im Dreck!" So kämpfte RZ tapfer gegen die aufkommende Übelkeit, bis sie endlich beim Auto angelangt waren. Die Heckklappe ging auf und als sie wieder zuknallte, wurde es dunkel um die beiden Eichhörnchen. "Gottseidank, nicht auf den Weihnachtsbaummarkt zu den anderen!", murmelte ZR etwas aufmunternd zu RZ, den er neben sich spürte. "Jetzt geht es gleich in Richtung prall gefüllter Teller!" Doch RZ war der Appetit nach allen Leckereien vergangen, weil ihm immer noch speiübel war.

7. Bei Katharina und Maxi zu Hause

Es dauerte nicht lange u. der Wagen hielt wieder. Der Kofferraumdeckel ging auf, sodass grelles Tageslicht den beiden Eichhörnchen in die Augen drang. Jetzt nur keinen Laut, sonst waren sie verraten! Die kräftige Hand des bärtigen Mannes packte wieder zu und beförderte den wippenden Tannenbaum um eine Hausecke herum. RZ u. ZR waren so gespannt auf die kommenden Ereignisse, dass sie nicht mehr an RZ’s Übelkeit dachten.

Kaum hatte der Mann den Tannebaum vor der Wohnzimmertüre abgestellt, da ertönten auch schon zwei helle Kinderstimmen: "Der Papi ist da, der Papi ist da!", riefen sie und tanzten mit ihren Hausschuhen um den Baum herum. "Ist der schön!", rief Maxi und Katharina streichelten die dampfenden Äste des Baumes. Dabei hätte sie fast RZ’s Schwanzspitze erwischt, denn die war ja jetzt wieder so grün wie die Tannenzweige um ihn herum. Eine junge Frau erschien in der Tür und sagte freundlich: "He, ihr drei, kommt doch rein! Da draußen ist es doch zu kalt. Du, Martin, dann kannst du den Baum ja gleich in die Ecke stellen, die die Kinder für den Baum frei geräumt haben!"

Plötzlich wurde es warm um den Baum. Mit einem Ruck blieb er stehen, als ihn Martin in den großen Ständer stellte und fest schraubte. "Na, Katrin, wie gefällt er dir?", fragte Martin seine Frau mit stolzem Blick. "Da hast du uns aber einen schönen Baum mitgebracht", sagte Katrin anerkennend und streichelte Martin sanft über die Hand. Da werden sich auch Jane und Kristina freuen, wenn sie auch hier sind!", ergänzte sie. "Na, ich weiß nicht", sagte Martin etwas nachdenklich, "ich habe das Gefühl, dass die mit Weihnachten nicht mehr viel anfangen können. Die sind doch schon groß und haben andere Dinge im Kopf!" - "Wart’s doch erst einmal ab, bis die Lichter brennen!“, versuchte Katrin ihren Mann etwas zu beschwichtigen. Und dann verließen alle das Wohnzimmer, so als wollten sie etwas suchen.

Jetzt hatten RZ und ZR endlich Zeit, um sich in dem Zimmer etwas umzuschauen, vor allem nach etwas Fressbarem, damit ihre knurrenden Mägen sie nicht verrieten. "Da drüben! Schau mal, Zottelrock! Kannst du die Schale sehen mit den vielen Nüssen und Äpfeln?", sagte RZ mit erregter Stimme, "das wäre doch was für uns!" - "Ne, kann ich nicht", maulte ZR, denn seine Augen waren schon schwach. "Aber riechen kann ich sie", sagte er grantig und folgte RZ vorsichtig mit seinem immer noch geschienten Bein in Richtung der Schale.

Kaum hatten sie den Tisch erklommen, da hörten sie die Stimmen auch schon wieder kommen. Jetzt war Eile angesagt. RZ war als erster bei der Schale und griff sich eine dicke Haselnuss. ZR aber hatte Mühe, die glatte Schale zu überwinden. Er rutschte aus und kippte dabei den ganzen Inhalt um. Wäre da nicht der Teppichboden gewesen, der den Fall von Äpfeln und Nüssen bremste, wäre es jetzt Schluss mit der Heimlichtuerei. Ein Teil der Kostbarkeiten rollte unter den Schrank, unter den auch RZ und ZR gerade noch schlüpfen konnten, ehe die Menschen wieder zurück im Zimmer waren. Jetzt hatten sie erst einmal genug zum Fressen und geschützt waren sie auch.

8. Die Entdeckung

Zunächst waren alle Menschen zu sehr damit beschäftigt, den Tannenbaum zu schmücken. Doch dann, als er immer weniger Platz für bunte Kugeln und Lichterketten war, entdeckte Katrin die Bescherung auf dem Teppichboden. Entsetzt schlug sie die Hände vor dem Mund zusammen und riss die Augen auf. Sie hatte sofort einen Verdacht. "Maxi!", rief sie mit drohender Stimme, "mein lieber Freund! Das warst doch bestimmt wieder du! Jetzt holst du sofort Nono, den Staubsauger, und machst den Dreck wieder weg!" Maxi’s Protest half nichts. Er musste tun, was seine Mutter verlangte. Katharina ging auch gleich mit, denn die fühlt sich automatisch mitschuldig, obwohl sie diesmal wie ihr Bruder Maxi ein reines Gewissen hatte.

Beide Kinder schleppten schwer, als sie Nono ins Zimmer bugsierten. Um besser unter den Schrank zu kommen, nahm ihre Mutter das sperrige Vorderstück vom Staubsauger ab. Dann steckte sie den Stecker in die Wanddose. Der Staubsauger heulte auf. Maxi kniete sich nieder, um mit dem Rohr besser unter den Schrank zu kommen. Plötzlich machte es Plopp! und noch einmal Plopp! und nichts ging mehr. "Nanu! Was war das denn?", wollte Katrin wissen und zog den Stecker wieder raus. "Vielleicht waren das die Socken vom Papi, die wir schon so lange gesucht haben?!" Martin kam neugierig hinzu und öffnete mit ein-zwei Handgriffen den Sauger, um an den Staubbeutel zu kommen. Was sie alle dann sahen, verschlug ihnen die Sprache!

Normaler Weise kann man in die dunkle Öffnung des Staubsaugers hinein schauen, um zu sehen, ob noch Platz drin ist. Doch diesmal war die Öffnung versperrt. Erst konnten sie nicht erkennen, was dort sich eingeklemmt hatte. Aber dann dämmerte es Martin als erstem: „Das ist doch das Hinterteil eines Eichhörnchens!“, sagte er zögerlich und versuchte, den Vorderteil durch vorsichtiges Drehen auch zu Tage zu befördern. Und wieder machte es Plopp!, als er RZ ganz draußen hatte. Der musste sich erst mehrmals kräftig den Staub aus seinem diesmal grauen Fell schütteln, ehe er Martin ängstlich ansehen konnte.

"Wo einer ist, da sind auch zwei", meinte Martin danach vielsagend, übergab der zögerlichen Katrin das Eichhörnchen und zwängte seine Hand zurück in den Staubbeutel. Schon nach kurzer Zeit machte es wieder Plopp! und ZR kam auch zum Vorschein. "Donnerwetter, das nenne ich eine Überraschung!" rief Martin überrascht und wollte beide schnell vor die Türe setzen, um ihnen die Freiheit wieder zu schenken. Doch Maxi und Katharina fielen ihrem Vater in den Arm: "Nein, Papi, nein!", riefen beide wie aus einem Mund. "Hast du denn nicht gesehen, dass das eine Eichhörnchen verletzt ist?! Das müssen wir erst wieder gesund pflegen!" Martin hielt inne und betrachte ZR’s rechtes Bein. "Schaut mal," sagte er besorgt, "das sieht ja so aus, als wäre es notdürftig geschient!" Leise quietschte ZR, als Martin ihn am Bein berührte. "Nicht so grob, Martin! Gib’ mal her!" sagte Katrin schließlich. "Hol’ schon mal den Verbandskasten. Ich schau mir den kleinen Kerl mal näher an.“

9. Die beiden Asylanten

ZR’s Verletzung schien nicht so schlimm, wie alle befürchtet hatten. Katrin streute etwas Jod-Pulver auf die Stelle, die noch nicht ganz verkrustet war und wickelte schließlich noch ein Stück Wundverband drum herum. Dann gab sie ZR ein kleinen Klapps, sodass dieser sich wieder zu rühren begann und nach RZ Ausschau hielt.

RZ hatte in der Zwischenzeit auf der Fensterbank im Schutz der großen Topfpflanzen gehockt und zugesehen, wie Katrin seinen Freund verarztete. Kaum war der Platz um ZR wieder Menschen leer, schoss er zu ihm, um sich nach ihm zu erkundigen. "Geht schon", gab ZR ihm zu verstehen, "bald bin ich wieder ganz der Alte.“ Dann machten sich beide über die kleinen Schüsseln Erdnüsse her, die Maxi und Katharina ihnen auf dem Boden zurecht gestellt hatten. "Hau’ rein, alter Knabe, damit du wieder zu Kräften kommst! Wer weiß, wann es wieder so etwas Edles zum Futtern gibt", meinte RZ und schob sich schon die nächste Erdnuss zwischen die Zähne.

Nach dem Essen verspürten RZ und ZR eine große Müdigkeit in sich aufsteigen. Doch wohin in diesem Durcheinander von Schachteln und Kartons? Martin musste wohl gespürt haben, wonach die beiden sich nun sehnten. Er suchte einen Schuhkarton, der eben noch bunte Kugeln enthalten hatte. Er füllte ihn mit restlichen Tannenzweigen aus, verstreute noch ein paar Nüsse darin und auch ein Stückchen Apfel. Dann schnitt er einen kleinen Eingang in die Vorderseite, sodass auch ZR ohne große Mühe hinein konnte. Kaum hatten die beiden Eichhörnchen Platz genommen, verfrachtete Martin den Schuhkarton samt Eichhörnchen unter den Weihnachtsbaum, um sie in Ruhe zu lassen. Es dauerte auch nicht lange, dann schlummerten die beiden Asylanten ein. Sie hatten jetzt wohl auch keine Angst mehr vor den Menschen, sondern genossen die Geborgenheit im Schutz einer Familie.
 

10. Die Auswilderung

RZ und ZR ging es in der Familie richtig gut. Maxi und Katharina kümmerten sich liebevoll um die beiden, wenn sie aus der Schule bzw. aus dem Kindergarten kamen. Sie schauten nach, ob noch genügend Eichhörnchenfutter im Napf war oder genügend Wasser im Schälchen. Sie spielten auch oft Verstecken mit ihnen, was ihnen besonders viel Spaß machte, denn das Haus war groß genug und voller Winkel, um sich stundenlang zu verbergen.

Schon bald brauchte ZR auch keinen Verband mehr. Er konnte schon wieder ohne große Mühe in der Wohnung umher rennen und auf Tische und Sofas klettern. Dann konnte es vorkommen, dass Katrin zu schimpfen anfing, wenn ihre Kinder mit den Eichhörnchen um die Wette rannten und dabei die Wohnung verwüsteten. "Das kann so nicht weiter gehen, Martin! Irgendetwas muss geschehen, sonst herrscht bei uns demnächst das Chaos im Haus." Martin schüttelte nachdenklich den Kopf. "Ja", sagte er schließlich. "Das Problem ist nur, dass Maxi und Katharina sich so an unsere Haustiere gewöhnt haben, dass sie tief traurig wären, wenn die beiden Eichhörnchen nicht mehr da wären. Vielleicht hilft ja ein Zufall!"

RZ und ZR hatten alles mit angehört und wurden nun auch nachdenklich. Was konnten sie tun, um der Familie nicht weiter zur Last zu fallen? Als echte Eichhörnchen mussten sie Platz haben, um sich auszutoben, aber dafür wurde es in dem Menschenhaus zu eng. Den Kontakt zu der Familie wollten sie aber nicht verlieren wegen der Kinder. "Wir müssen aus dem Haus raus!", sagte der weise ZR zu seinem ratlosen Freund. "Wir können ja im Garten in den Bäumen hin und her jagen. Dann sind wir auch in der Nähe der Kinder. Und die beiden werden uns schon nicht verhungern lassen. Du wirst schon sehen!" RZ zögerte zwar noch etwas, aber der Rat seines Freundes leuchtete ihm ein. Also warteten sie auf eine günstige Gelegenheit.

Morgen Vormittag würden alle wieder aus dem Haus sein: Katrin und Martin auf der Arbeit, Jane u. Kristina in der Schule und Katharina auch. Nur Maxi war mit seinen 6 Jahren noch im Kindergarten. Kaum war es still im Haus, hopsten sie durch alle Räume, um nach einem Durchschlupf zu suchen. Im Keller fanden sie schließlich ein geöffnetes Fenster. Das ließ Martin immer offen wegen des lästigen Ölgeruchs aus dem Heizungskeller. Schnell kletterten sie die raue Wand hoch und sprangen durch das geöffnete Fenster auf den weichen Schneeboden. Bis zu den hohen Bäumen im Garten war es nicht weit. Und Schwupps! waren sie oben, um gleich ihre neue Umgebung auszukundschaften und auf ihre Tauglichkeit als Tummelplatz hin zu überprüfen. Alles konnte ihnen gefallen und. so warteten sie den gespannt auf die Heimkehr der Kinder.

Katharina war als erste da. Sie hatte ja auch einen Schlüssel zur Wohnung. Hastig warf sie ihren Ranzen in die Ecke, um gleich nach RZ und ZR zu schauen. Doch, so sehr sie auch rief und so gründlich sie auch suchte: Die Eichhörnchen ließen sich nicht blicken! Traurig wartete sie auf die Heimkehr der anderen. Alle machten sich nun auf die Suche, doch vergebens! "Vielleicht sind sie abgehauen", meinte Maxi als erster. Und schon war er draußen auf der Terrasse und suchte nach Spuren im Schnee. Da waren sie auch! Sie zeigten in Richtung der drei hohen Bäume gleich neben dem Haus. "Hierher! Hierher!", rief er aus Leibeskräften. "Ich habe sie gefunden! Da oben sind sie!"

Nun standen alle im Garten und schauten hoch zu den Baumwipfeln. Die bewegten sich auch merklich und nur Sekunden später landeten RZ und ZR gleichzeitig auf dem Erdboden. Ohne Scheu sprangen sie auf die Menschen zu und ließen sich ohne Zögern streicheln. Maxi kramte in seiner Hosentasche nach und warf den beiden Eichhörnchen ein paar Nüsse zu, die er seit Wochen immer bei sich trug. Doch als Katharina sie wieder ins Wohnzimmer locken wollte, zögerten RZ und ZR. merklich. "Lass mal, mein Schatz!", sagte ihre Mutter Katrin mit besänftigender Stimme, "die wollen jetzt lieber wieder in Freiheit leben. Es sind ja auch keine Haustiere. Wir können sie ja hier draußen füttern, solange es Winter ist." Katharina nickte, doch ihr Mund bildete eine kleine Schnute, weil sie traurig war. Auch Maxi schien traurig zu sein, denn nun hatte das Toben im Haus ein Ende.

Sie zogen sich allesamt wieder ins Haus zurück. Hinter den Fensterscheiben konnte Katharina u. Maxi noch lange Zeit sehen, wie RZ u. ZR im Schnee herum tollten u. die Baumstämme hoch u. runter sausten. "Ja, ja", meinte Maxi etwas Gedanken versunken zu seiner Schwester. "Eichhörnchen müsste man sein!" Doch seine Schwester sagte nichts, weil ihr eine Träne die Wange runter kullerte ...

10. Die Weihnachtsüberraschung

Dann war endlich der ersehnte Abend da. Es wurde still auf den Straßen und eine geheimnisvolle Spannung lag in der Luft.

Draußen rieselte leise der Schnee und überdeckte alle Spuren, auch die, die nicht von menschlichen Füßen stammten. Doch halt! Hatten nicht die kleinen Spuren in Richtung Haus gezeigt?! Waren am Ende die beiden Eichhörnchen doch zurück gekehrt, weil es draußen zu kalt war? Katharina und Maxi schauten sich fragend an und setzten sich an den festlich geschmückten Tisch, obwohl ihnen vor Aufregung der Appetit vergangen war.

Doch was war das? Erst hörte es nur Martin, dann auch noch Katrin, weil die dem Lichterbaum am nächsten saßen. Als auch noch Kristina und Jane zu schnattern aufhörten, hörten es alle: Ein leises Pfeifen, wie es nicht schöner hätte klingen können. Gebannt lauschten alle dem kleinen Pfeifkonzert, das aus dem Weihnachtsbaum drang und die festliche Musik im Radio begleitete. "Das kann doch nicht sein!", sagte Martin nach einer Weile, "Eichhörnchen, die pfeifen können, gibt’s doch gar nicht!" - "Vielleicht doch!“, meinte seine Frau Katrin vielsagend. Martin war schon aufgestanden, um den Baum einer genaueren Prüfung zu unterziehen. Als er die Tannenzweige vorsichtig auseinander bog, erkannte er tatsächlich RZ und ZR und sah, wie sie einträchtig beieinander hockten und miteinander pfiffen. "Da, schaut euch das an! Na, das nenne ich eine gelungene Weihnachtsüberraschung!"

Katharina und Maxi sprangen auf, um ihre alten Freunde mit eigenen Augen zu sehen. Kaum hatten sie ihre Köpfe in die richtige Höhe gestreckt, als RZ und ZR sie erkannten und flux auf ihre Schultern sprangen. Das war der Startschuss für eine wilde Hetzerei durch das ganze Haus, wie sie vor ein paar Wochen nicht hätte schlimmer sein können. Hätte Katrin nicht irgendwann einmal energisch "Schluss jetzt!!!" gerufen, hätte das ganze Haus Kopf gestanden. Keuchend setzten sich Maxi und Katharina auf den Teppichboden, um möglichst nahe bei RZ und RZ zu sein.

Dann folgte die Bescherung, obwohl die eigentliche Weihnachtsbescherung ja schon vorbei war. Jeder hatte etwas zum Auspacken: Katrin ein Fläschchen Parfum, Martin einen gestreiften Schlips, Jane einen bunten Bikini, Kristina ein rosa Nachthemd, Katharina ein glitzerndes Armkettchen und Maxi einen Pulli mit einem großen Ritter drauf. Nur die Eichhörnchen saßen da und hatten nichts zum Auspacken. Doch! Katrin erinnerte sich an die Stelle, wo sie die Schokolade vor ihren kleinen Naschkatzen versteckt hatte.

Wenig später lag vor RZ und ZR ein Riesen Tafel Nuss-Schokolade. Man konnte richtig spüren, wie den beiden das Wasser im Mund zusammen lief, als sie diese Köstlichkeit vor sich ausgebreitet sahen. Im Nu hatten sie mit ihren scharfen Krallen das störende Papier entfernt und machten sich über die Leckerei her. Ganz schafften sie den Brocken nicht, so sehr sie sich auch bemühten. Ermattet setzten sie sich schließlich auf ihre Hinterpfoten und hielten sich die Eichhörnchenbäuche. Am liebsten wären sie jetzt wieder auf ihrem Baumstamm, dachten beide. "Komm, Alter!", flüsterte ZR seinem schlappen Freund zu. "Lass uns gehen. Die Menschen wollen jetzt auch ihre Ruhe haben. Da können wir nur stören!"

Als RZ und ZR sich diesmal auf die Wohnzimmertür zu bewegten, sprangen sie nicht wie sonst, sondern schleppten sich mit schweren Schritten. Diesmal hinderte sie keiner am Weggehen, weil sie ja nur ihrem Freiheitstrieb folgten. Auf der Türschwelle drehten sie sich noch einmal um und pfiffen ein Abschiedslied. Diesmal ohne Begleitmusik aus dem Radio und diesmal auch zweistimmig. Alles klappte wie am Schnürchen, so als hätten sie jeden Tag geübt. Maxi und Katharina klatschten vor Freude in die Hände und winkten ihnen nach, als sie mühsam den Stamm des Schlafbaumes empor klommen. "Danke!" riefen sie noch, doch RZ und ZR hörten sie nicht mehr. Sie mussten wohl schon vom Schlaf übermannt worden sein ...

- ENDE -

Samstag, 29. Oktober 2011

Der Matchbox-Man

1. Der außergewöhnliche Mann

Es war einmal ein Mann, der war so klein, dass er durch ein Schüsselloch passte. Sein Bett war daher nur eine gewöhnliche Streichholzschachtel, die er zum Schlafen einfach ein Stück weit aufzog und dann hinein sprang. Daher trug er auch den Beinamen Matchbox-Man (MBM).

Trotz seiner winzigen Größe verfügte der MBM über ernorme körperliche Fähigkeiten. Er war stark wie ein Bär. Seine Beine waren so schnell wie die eines jagenden Gepards. Auch war sein Blick scharf wie der eines Adlers u. sein Gehör so gut wie das einer Katze. Mit seinem kahlen Kopf konnte messerscharf denken. Nur sprechen konnte er leider nicht. Dafür beherrschte er aber die Körpersprache wie kein zweiter.

Der MBM lebte in einem bunten Schuhkarton im hinteren Winkel von Sebastians Kinderzimmer. Dort hatte er sich häuslich eingerichtet. Alles war auf einer Ebene: der Wohnbereich mit einer Kuschelecke, das Mini-Schlafzimmer mit seiner Schlaf-Schachtel und auch eine kleine Puppen-Küche gehörten dazu. Worauf der MBM besonders stolz war, war das nagelneue Matchboxauto hinter seinem Haus, das ihm Sebastian für seine treuen Dienste geschenkt hatte.

2. Sebastians erste Begegnung mit dem Supermann

Wer nun war Sebastian? Er war ein schwächliches Kind von etwa 8 Jahren mit einem großen Handicap: Er saß im Rollstuhl und das schon seit 2 Jahren, nachdem er von einem Auto angefahren worden war. Seitdem war er querschnittsgelähmt und auf fremde Hilfe angewiesen. Wer konnte ihm da besser helfen, wenn es mal nötig war, als der Supermann aus der Streichholzschachtel?

Ihr wollt jetzt sicher gerne wissen, wie Sebastian und der MBM zusammen kamen. Die Wahrheit ist, dass der MBM aus einem Katalog stammt. Ja, aus einem Spielzeugkatalog! Sebastian hatte nämlich diesen Katalog zufällig in seinen Händen, weil er aus einer Illustrierten seiner Mutter gefallen war. Er blätterte etwas gelangweilt herum und sah plötzlich diesen MBM inmitten lauter Matchbox-Autos. Sofort war er fasziniert von diesem Mini-Kraftpaket u. wünschte sich nichts sehnlicher als ihn zum Freund zu haben. Sogar nachts träumte er von dem Winzling u. einer Freundschaft mit ihm.

Und dann passierte es! Eines Tages, als Sebastian wieder einmal den Katalog in den Händen hielt, öffnete sich dieser wie von Geisterhand. Heraus schlüpfte der kleine Supermann, der sich tief vor Sebastian verneigte als wollte er sagen: So, da bin ich. Womit kann ich dir dienen? Vor Schreck ließ Sebastian den Katalog fallen, doch schnell hob ihn der MBM auf und übergab ihn wieder Sebastian. Dabei streichelte er ganz sanft über Sebastians Hand und setzte sich schließlich dort mit einem breiten Grinsen nieder.

Allmählich fand Sebastian seine Fassung wieder. Er fasste Zutrauen zu dem kleinen Wesen und streichelte ihm mit seiner freien Hand über den kahlen Kopf. "Toll, dass du da bist! Ich hoffe, du gehst nicht gleich wieder. Komm, lass uns zusammen spielen!" Der MBM nickte zustimmend, sprang auf den Boden und rannte gleich in Sebastians Spiele-Ecke.

Mühsam ließ sich Sebastian aus seinem Rollstuhl zu dem kleinen Kerl auf den Boden gleiten. Der war schon in dem Spielzeughaufen verschwunden und rumorte Minuten lang in ihm herum. Es dauerte nicht lange, da hatte der MBM alle Matchboxautos zusammen geschoben und vor Sebastians staunenden Augen aufgestellt. Mit seinen flinken Händen überprüfte er rasch alle Fahrzeuge auf ihre Fahrtüchtigkeit und reparierte sie, sofern dies nötig erschien. Bewundernd schaute ihm Sebastian zu. Auch die Autos, die Sebastian schon wegschmeißen wollte, standen in der Reihe und warteten darauf, wieder angeschoben zu werden.

"Du bist ein echter Matchbox-Man!", rief Sebastian dem kleinen Kerl zu, der gerade dabei war, die Motorhaube eines Mini-Ferraris zu schließen. "Weißt du was?", fuhr Sebastian fort, "den schenke ich dir, weil du so fleißig warst. Mit dem bist du noch schneller als du eh schon bist!" Dankbar ergriff der Kraft-Zwerg mit beiden Händen Sebastians rechten Zeigefinger und schüttelte ihn.

Sie spielten noch eine Zeit lang in Sebastians Kinderzimmer, bis schließlich der MBM wieder in dem Katalog verschwand, weil er die Schritte von Sebastians Mutter im Vorzimmer gehört hatte. "Scheinbar will er nicht erkannt werden", dachte sich Sebastian und sah im traurig nach. "Komm morgen wieder, Matchbox-Man! Es war schön mit dir!" rief er ihm sehnsüchtig nach. Doch der hatte den Katalog schon wieder zugeklappt

"Mit wem sprichst du, mein Sohn", fragte die Mutter neugierig, als sie Sebastians Zimmer betrat. "Ach, nur mit mir selber. Das tue ich immer, wenn niemand mit mir spricht", meinte Sebastian etwas scheinheilig.

3. Die Rückkehr des MBM

Tage vergingen, ohne dass der MBM sich wieder blicken ließ. Sebastian war schon ganz verzweifelt, weil er den kleinen Kerl schon sehr vermisste. Der Katalog lag unter seinem Kopfkissen, damit er vorm Einschlafen noch hinein schauen konnte. Doch nichts bewegte sich. Da erinnerte er sich, wie er den MBM damals angeschaut hatte, bevor dieser aus dem Katalog geschlüpft war. Er schlug die Seite auf und fing an, den MBM mit einem langen und sehnsuchtsvollen Blick anzustarren. Und siehe da, der Supermann fing an sich zu räkeln und zu strecken, bis er schließlich wieder auf Sebastians Hand saß und ihn fragend anschaute.

"Kommst du mit in die Schule?", wollte Sebastian gleich wissen. Der kleine Mann nickte freudig, denn nun kam Arbeit auf ihn zu, die allemal besser war als die Langeweile unter den Matchbox-Autos im Katalog. Flink sprang er auf den Boden und schob Sebastian mühelos den Rollstuhl zu, sodass dieser leicht hinein gleiten konnte. "Danke", murmelte Sebastian und rollte sich anschließend ins Badezimmer. Dort war schon wie von Zauberhand Wasser in seinem Zahnbecher und Zahnpasta auf der Zahnbürste. "Na, die in der Schule werden Augen machen, wenn ich dich mitbringe", sagte Sebastian zum MBM, der neben ihm auf der Zahnpastatube saß und ihm beim Zähneputzen zuschaute.

Beim Frühstück war Sebastian gespannt, ob der MBM wieder vor seiner Mutter fliehen würde. Doch zu seiner Überraschung blieb dieser auf dem Rand seiner Cornflakes-Schüssel sitzen, nahm sich eine Flocke und tauchte sie in die Milch ein. Anschließend verspeiste er sie genüsslich vor den Augen seiner Mutter. Doch die tat so, als gäbe es den MBM gar nicht. "Donnerwetter!", dachte Sebastian bei sich, "dann bin ich wohl der einzige, der den Däumling sehen kann. Da habe ich ja einen richtigen Pumuckel! Na, das kann ja heiter werden, wenn meiner auch solche Streiche spielt!"

4. Der 1. Tag in der Schule

Sebastian war gespannt, wie der 1. Tag mit dem MBM in der Schule sein würde. Nur, wie konnte er seinen Mitschülerinnen und Mitschülern glaubhaft machen, dass es diesen kleinen Kraftkerl wirklich gab? Da hatte er eine Idee.

In der 2. Stunde hatte die Klasse 3a Deutsch bei Frau Matischak, ihrer Klassenlehrerin. Die war ja so ganz nett, nur hatte sie die dumme Eigenschaft, regelmäßig viel Hausaufgaben aufzugeben. Die schrieb sie immer kurz vor Ende der Schulstunde noch schnell an die Tafel. Oft saßen die Kinder noch bis in die Pause hinein, um die Aufgaben abzuschreiben. Wenn es in der letzten Stunde war, konnte es auch schon einmal vorkommen, dass manche auswärtigen Kinder dadurch den Schulbus verpassten. Ihre Eltern hatten sich darüber schon oft beschwert, doch geändert hatte sich dadurch nicht viel.

Wieder waren es noch 3 Minuten bis zum Stundenende. Alle blickten schon gespannt auf den Zeiger der großen Wanduhr über der Tafel, denn nach dem Gong durften nach der Schulordnung keine Hausaufgaben mehr gegeben werden. Alle Schülerinnen und Schüler begannen schon ihre Aufgabenheftchen zu öffnen, denn sie wussten, gleich würde die Matischak aufspringen und noch hastig die Aufgaben an die Tafel kritzeln. Doch plötzlich sprang der Minutenzeiger auf Halb und der Pausengong ertönte. Frau Matischak schnellte von ihrem Sitz hoch und wollte noch rasch zur Kreide greifen. Doch die lag nicht mehr da, wo sie eben noch gelegen hatte. Sie war auf den Boden gerollt und in lauter kleine Stücke zerbrochen. "Hurra!", schrieen die Kinder und klatschten vor Freude in die Hände, während Frau Matischak zornesrot aus dem Klassenraum rannte und den Kindern einen wütenden Blick zuwarf.

Der einzige, der nicht mitklatschte, sondern breit grinsend da saß, war Sebastian. Er wusste nämlich, wer hinter diesem Streich steckte. "Was ist?", wollten die Kinder von ihm wissen, "ja, freust du dich denn gar nicht?! Keine Hausaufgaben! Mensch, toll!" - "Das war mein Freund, der Matchbox-Man!" - "Dein was?", schreckten die Kinder zurück, "dein Matchbox-Man?! Du spinnst doch!" - "Mein Matchbox-Man!", sagte Sebastian trotzig. "Kommt mal mit auf den Pausenhof. Da werdet ihr weitere Wunder erleben!"

Wie immer war schon die 3b dort auf dem kleinen Fußballfeld versammelt und wartete ungeduldig auf die 3a, weil heute der Schulsieger ermittelt werden sollte. Die Fußballer der 3a fühlten sich allerdings nur als Außenseiter, weil ausgerechnet heute ihr Tormann fehlte und sie an einen Ersatzmann nicht gedacht hatten. Da drängte sich Sebastian nach vorne: "Lasst mich doch ins Tor! Ich mach' das schon", sagte er geheimnisvoll und öffnete dabei seine Hand so, als hätte er eine Streichholzschachtel zwischen seinen Fingern. "Du bist doch viel zu unbeweglich in deinem Rollstuhl!", meinten die einen. "Lasst ihn doch! So kann er uns doch beweisen, ob es diesen Matchbox-Man wirklich gibt!", meinten die anderen. Alle waren schließlich mit Sebastian als Tormann einverstanden und los ging’s!

Der Kampf wogte hin und her. Kein Tor fiel. Sebastian hielt alle Bälle, die auf sein Tor zukamen, sogar die unhaltbaren. Er war ja auch nicht allein! Kurz vor dem Pausenende musste die Entscheidung fallen. Elfmeterschießen! Als der letzte Spieler der 3b den Ball geschossen hatte, trat der letzte Spieler der 3a vor. Wenn er den Ball jetzt im Tor versenkte, war das Spiel entschieden. Er nahm Anlauf, doch er trat in den Rasen, sodass der Ball nur langsam auf den gegnerischen Tormann zurollte. Der stand gelangweilt am Torpfosten gelehnt, weil den Ball auch seine Oma halten würde. Doch was war das?! Statt weiter auf den Torwart zuzurollen, machte der Ball plötzlich eine Drehung in Richtung der anderen Torecke. Verzweifelt hechtete der Tormann dem Ball hinterher, aber er erwischte ihn erst kurz hinter der Torlinie. "Tor! Tor! Tor!", riefen alle aus der 3a und lagen sich in den Armen. Diesmal streckte auch Sebastian seine Arme in die Höhe und jubelte mit. Jetzt waren er und der MBM die Helden des Tages und jeder hatte mit ansehen können, dass es den MBM wirklich gab. Denn ohne den kleinen Kraftzwerg wäre der Ball nie und nimmer rein gegangen! Doch das wusste nur die 3a!

Noch nie hatte Sebastian so viele Mitschüler, die ihn auf dem Heimweg begleiteten. Jeder wollte wissen, wie der MBM denn aussah und warum er ausgerechnet bei Sebastian aufgetaucht wäre. Es herrschte um Sebastians Rollstuhl ein furchtbares Gedränge, denn jeder wollte ihn schieben, um vielleicht noch mehr zu erfahren. Als sie vor Sebastians Wohnungstür ankamen, wollten viele noch hinein kommen, um den Katalog zu sehen, aus dem der MBM geschlüpft war. Doch Sebastians Mutter wehrte ab: "Geht erst mal heim und kommt nach dem Mittagessen wieder!" Murrend zog die Meute ab und verschwand hinter der nächsten Straßenecke.

"Kannst du mir bitte erklären, was das soll?", wollte Sebastians Mutter beim Mittagessen wissen. "Sonst kommst du immer ohne Begleitung nach Hause und heute steht fast die halbe Klasse vor der Tür!" - "Weiß auch nicht genau", murmelte Sebastians, "vielleicht, weil ich beim Fußball als Tormann mitgespielt habe und gar nicht schlecht war." - "Du und Fußball?!", fragte Sebastians Mutter ungläubig. "Ja", ergänzte Sebastian und nahm sich noch ein Kartoffel, "alle wollten mich, weil ich mit dem Rollstuhl das Tor fast zustellen kann!" Die Mutter schüttelte den Kopf: "Na, dann werden wir uns gleich nach dem Essen das teure Gerät mal näher anschauen!"

Als sie nach dem Mittagessen den Rollstuhl überprüften, staunten sie nicht schlecht: Er war sauber geputzt und stand glänzend in Sebastians Reichweite. "Wie ist denn das möglich?", rief seine Mutter erstaunt. "Vielleicht haben meine Mitschüler auf dem Heimweg mich so bedrängt, dass sie den Rollstuhl blank gewetzt haben", meinte er verschmitzt. Er wusste ja, wer dahinter steckte, nur seine Mutter nicht. "Die kann warten", dachte Sebastian bei sich und rollte langsam in sein Zimmer, um sich von den Anstrengungen des Vormittages zu erholen.

5. Auf dem Minigolfplatz

Diesmal waren die Hausaufgaben schnell erledigt, weil ja in Deutsch nichts auf war. Hinter dem Vorhang seines Zimmers hatte Sebastian schon heimlich auf seine Mitschüler gewartet. Da kamen sie auch schon um die Ecke: Florian, der Rotschopf, Benni, der Nasenbohrer, Roland mit seinen Rollerskates und Maxi in seinem Skateboard. Wenig später bogen auch noch Katrin und Martin um die Ecke, wie immer Händchen haltend, weil sie frisch verliebt waren.

"Wir wollen zum Minigolfplatz", sagte Roland zu Sebastians Mutter an der Türe. "Kann Sebastian mitkommen?" - "Gerne, aber sind denn dort Rollstuhlfahrer zugelassen?", wollte die Mutter wissen. "Das passt schon", beschwichtigte Katharina die etwas ängstliche Frau, "der Platzbesitzer ist doch froh, wenn jemand zu ihm kommt!" - "Wenn ihr meint", flüsterte Sebastians Mutter etwas ungläubig. "Platz da!", rief Ronald hinter ihr, "jetzt geht die Post ab!" Und schon war er mit Sebastian draußen und schob ihn vor sich her. "Nicht zu schnell!", rief die Mutter hinterher, doch die Rasselbande war schon außer Hörweite.

Jeder bekam ein Schläger vom Platzbesitzer ausgehändigt, auch Sebastian. Das freute das Blassgesicht besonders, denn alleine wäre ihm das nie passiert. Alleine hätte er sich gar nicht erst auf den Platz getraut. So als wollte er sich dankbar erweisen, spielte Sebastian wie ein Profi. Obwohl er manchmal den Ball kaum traf, so rollte dieser, wie von fremder Hand geführt, durch die Hindernisse direkt ins Loch. Unglaublich! Wenn er so weiter machte, war der Platzrekord in Gefahr. Beim letzten Platz zitterte Sebastian vor Aufregung. "Los, Basti, hau drauf. Du schaffst das schon. Denk’ dran, wenn du den reinmachst, holst du dir den Platzrekord und hast das ganze Jahr freien Entritt!", schrieen die Kinder um ihn herum, die schon längst ihre eigenen Schläger weg geworfen hatten.

Sebastian spannte noch einmal seine schwachen Muskeln, umspannte fest den Schlägergriff, blickte noch mal auf das Loch, das für ihn so unerreichbar schien, und schlug zu. Doch sein Schlag verfehlte den Ball. Auch der zweite Schlag ging daneben. Jetzt musste der dritte klappen, denn sonst war das Spiel für ihn aus. "Matchbox-Man hilf!", kam es kaum hörbar über Sebastians zitternde Lippen. Und der kleine Kerl half. Und wie er half! Der Ball schoss über die Bahn und wieder zurück, sprang über die Hindernisse und drehte mehrmals Kreise. Schließlich blieb er schwebend über dem letzten Loch stehen. Alle hielten den Atem an. Da senkte sich der Ball langsam nieder und verschwand mit einem leichten "Plopp!" im letzten Loch.

"Stark! Saustark, Basti", sagte Katharina nach einer Weile, als sie als erste die Sprache wieder gefunden hatte und Sebastian anerkennend auf die Schulter klopfte. "Alles Betrug! Schiebung!", brüllte der Platzbesitzer, der Sebastians Kunstschuss mit angesehen hatte. Dabei geriet er so in Wut, dass er an Sebastians Rollstuhl solange rüttelte, bis dieser mit einem Schrei auf den Boden fiel und dort liegen blieb. "Das tut mit Leid! Das habe ich nicht gewollt! Wie kann ich das nur wieder gut machen?", stotterte der Platzbesitzer. "Ist doch klar, Mann!" sagte Max cool, "geben Sie jedem von uns eine Jahreskarte und wir melden Sie nicht bei der Polizei!" - "Das ist Erpressung!", fluchte der Mann, doch aus Angst vor der Polizei tat er das, was Maxi gefordert hatte und die Truppe verließ mit Sebastian in ihrer Mitte laut grölend den Minigolfplatz in Richtung Stadt.

6. Sebastian wird Bandenmitglied

Sebastian wusste, dass sich diejenigen, die mit ihm auf dem Minigolfplatz waren, auch zu einer Bande zusammengeschlossen hatten. Das war eine Gruppe, die fest zusammen hielt und den Erwachsenen manchen Streich spielte. Sebastian wäre auch gerne in der Bande, aber als Rollstuhlfahrer?!

Der Treffpunkt der Bande war eine Baumburg im Wald, die so versteckt war, dass selbst der Förster sie nicht finden konnte. Dorthin hatten sich die Bandenmitglieder am Nachmittag des folgenden Tages verzogen, um den nächsten Streich auszuhecken. Doch daraus wurde diesmal nichts. Sie standen noch zu sehr unter dem Eindruck der Erlebnisse des vergangenen Tages und quatschten nur noch über Sebastian und den MBM. Katharina meinte schließlich: "Wie wäre es, wenn wir den Basti in die Bande aufnehmen würden? Der ist zwar an seinen Rollstuhl gefesselt, aber mit seinem unsichtbaren Supermann kann er wahre Wunderdinge vollbringen!" - "Du spinnst doch! Wenn wir was ausgefressen haben, dann ist der doch nicht schnell genug, wenn wir abhauen!", hielt Maxi dagegen. Benni, der wieder mal in der Nase bohrte, unterstützte ihn: "Der kann doch mit seinem Rollstuhl gar nicht auf die Baumburg hoch!" Martin und Katrin nickten zustimmend. Katharina ließ nicht locker: "Wir könnten es doch wenigstens einmal mit ihm versuchen!" - "OK", meinten alle schließlich, "ein Versuch ist es wert!" So verabredeten sie sich für morgen Nachmittag erneut.

Sebastian wollte erst gar nicht seinen Ohren trauen, als ihn Martin und Katrin am nächsten Tag in der 1. Pause ansprachen und ihn in ihr Versteck einluden. Sein Herz klopfte richtig, als er das hörte. Er im Versteck der Bande! Natürlich stimmte er zu, obwohl er noch nicht wusste, wie er das seinen Eltern erklären sollte. Denn die waren immer sehr ängstlich, wenn es um ihn ging. Ihm würde schon was einfallen, dachte er sich und sehnte sich schon den Nachmittag herbei.

Nach den Hausaufgaben wollte Sebastian los. "Ich fahr’ mal rüber zu Katharina und Maxi. Die haben Schwierigkeiten mit den Hausaufgaben!", rief er seiner Mutter zu. "Ich kann dich doch schnell dahin schieben", sagte Sebastians Mutter mit ängstlichem Blick. "Lass nur!", wehrte Sebastian ab, "das pack’ ich schon alleine!" - "Wenn du meinst. Aber pass gut über die Straße auf!", rief ihm sein Mutter noch nach. Doch der stand schon an der Ampel und wartete auf Grün.

Der Weg in den Wald war sehr beschwerlich. Katrin und Martin hatten beim Schieben große Mühe, Sebastian auf dem holperigen Weg nicht umzukippen. Dann hatten sie es endlich geschafft. "Wo bleibt ihr denn?!", maulten schon einige, als sie keuchend unter dem Baum standen. "Und jetzt? Wie kriegen wir denn den Basti und seinen Rollstuhl jetzt hier hoch?" wollte Florian wissen. Keiner wusste Rat. Da schaute Sebastian auf den MBM, der wieder mal auf seiner Hand Platz genommen und aufmerksam zugehört hatte. Er zeigte auf einen jungen Baum direkt neben ihrer Baumburg. Dann machte er eine tiefe Verbeugung und richtete sich blitzschnell wieder auf. Sebastian verstand, was der MBM ihm sagen wollte. "Los! Den Baum da können wir doch mit vereinten Kräften bis zum Boden biegen und mich mit dem Rollstuhl daran festbinden. Wenn wir ihn dann wieder los lassen, schwingt der Baum wieder nach oben und nimmt mich und den Rollstuhl mit." - "Tolle Idee!", meinten alle und fingen an, nach einem geeigneten Seil zu suchen.

Roland war der schwerste. Er kletterte den jungen Baum hinauf bis in die Spitze. Dann fing er an zu schaukeln, bis sich die Baumspitze immer mehr zu Seite neigte. Schließlich hielt er sich nur noch mit den Armen fest und ließ die Beine baumeln. Sein Gewicht zwang den Baum langsam zu Boden, bis er von den anderen fest gehalten werden konnte. Es dauerte seine Zeit, ehe sie Sebastian und den Rollstuhl oben im Baum fest gebunden hatten. Dann fing Sebastian an zu zählen. Bei 3 ließen alle los und der Baum bewegte sich wieder nach oben, erst schnell und dann immer langsamer. Wie durch ein Wunder blieb er in Höhe der Baumburg stehen, sodass die Kinder keine Mühe hatten, Sebastian auf seinem Rollstuhl in ihre Baumburg zu ziehen. Sie banden den Strick wieder los und befestigten ihn außerhalb an einem Ast, damit sie Sebastian später wieder hinaus bugsieren konnten.

Sie waren alle stolz über ihre Leistung. Sie quatschten noch ein ganze Weile, vor allem über den MBM, der weiterhin unsichtbar blieb und nun auch zur Bande gehörte wie Sebastian, der Rollstuhlfahrer.

7. Die Bande

Zu einer richtigen Bande gehört nicht nur ein Versteck, sondern auch ein passender Name und ein auffälliges Abzeichen für jeden. Das wussten alle Mitglieder. Sie hatten schon einmal darüber nachgedacht, doch etwas Passendes war ihnen bislang nicht eingefallen.

Wieder einmal hockten sie zusammen und beratschlagten über dieses Thema. Maxi hatte als erster eine Idee: "Wie wär’s mit Matchbox-Bande?!", fragte er prüfend in die Runde. Und ein Zeichen hätte ich auch schon", sagte er und malte ein großes M und ein B mit seinem rechten Zeigefinger in den Staub auf dem Boden der Hütte.

"
Gar nicht schlecht, Maxi", meinte Roland und klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. "Finde ich doof", maulte Katharina, weil sie sich ärgerte, dass sie nicht diese Idee gehabt hatte. Roland fuhr fort: "Jetzt brauchen wir nur noch einen Anführer. Ich würde mir diese schon Rolle zutrauen, weil ich der Stärkste bin." Dabei schaute er sich herausfordernd um.

Zunächst wagte keiner Roland zu widersprechen, denn der war nun wirklich am kräftigsten. Doch dann meldete sich Benni mit seinem Popelfinger zu Wort: "Ich würde Basti vorschlagen. Der ist zwar schwächer als du, doch der hat da oben mehr drauf", sagte er und zeigte dabei auf seinen Kopf. "OK", sagte Roland etwas beleidigt. Dann wollen wir abstimmen! Wer ist für Basti?" Erst meldete sich Katharina, dann auch Maxi und schließlich waren alle Finger oben. „Das dachte ich mir“, grollte Roland und steckte seine Hände bis zu den Ellbogen in die Hosentaschen. "Immer diese Schlauköppe!", ergänzte er und war beleidigt.

Erst wusste Sebastian gar nicht, ob er die Wahl annehmen sollte. Doch dann sah er die aufmunternden Blicke seiner Bandenmitglieder und nickte zustimmend. "Ich danke euch allen. Ich hoffe, wir werden euch nicht enttäuschen", sprach er gerührt und streichelte dabei sanft über den kahlen Kopf des MBM. Doch der schaute nachdenklich in die Runde. Sebastian wurde nicht ganz schlau aus ihm, doch das kümmerte ihn jetzt nicht groß, weil er eben gerade zum Anführer der Matchbox-Bande gewählt worden war.

8. Die Beichte

"Du meine Güte, Sebastian! Wie siehst du denn aus?!", rief die Mutter entsetzt, als Sebastian wieder zur Türe rein rollte. "Wo hast du denn diese grünen Streifen her und den Schmutz an den Händen? Am besten stecke ich dich gleich mit in die Waschmaschine!", drohte sie. Mühsam hob sie ihren Sohn hoch und half ihm beim Ausziehen. Doch dann bereitete sie ihm das Bad vor, während sie die Dreckwäsche in die Waschmaschine steckte.

Als Sebastian in der Wanne saß und ihm die Mutter die Hände mit einer Bürste bearbeitete, erzählte er ihr bereitwillig, was passiert war. Denn irgendwann einmal musste die Wahrheit ja mal ans Licht! Die Mutter unterbrach ihn nicht, aber ab und zu schüttelte sie ihren Kopf, so als ob sie ihm nicht immer glauben würde. Erst als er erzählte, dass er nun auch Bandenmitglied sei und auch noch zum Anführer gewählt worden wäre, schlug sie die Hände über dem Kopf zusammen und stammelte: "Erzähl das bloß nicht Papi! Der flippt sonst aus und lässt dich keinen Tag mehr aus dem Haus!"

Alles hatte Sebastian seiner Mutter gebeichtet, nur nicht die Geschichte vom MBM. Die würde sie ihm sowieso nicht glauben, weil sie nicht an etwas glauben konnte, was sie nicht gesehen hatte. Sebastians Vater, so meinte sie, müsste allerdings auch eingeweiht werden. Sie wollte das schon machen, versprach sie Sebastian.

9. Der gute Rat

Nicht weit von der Baumburg entfernt befand sich ein kleiner See im Wald, an dem gelegentlich Angler fischten oder böse Menschen einfach ihren Unrat ablagerten. Die Kinder störte das nicht, denn so fanden sie immer etwas Brauchbares für ihre Baumburg.

Diesmal aber suchte die Bande etwas Bestimmtes, nämlich eine Rolle, mit deren Hilfe sie ihren Anführer in die Baumburg hochhieven konnten. Der Baum, der bisher als Kran gedient hatte, schaffte es nämlich kaum noch bis in die Höhe des Verstecks, sodass die Kinder große Mühe hatten, Sebastian hoch zu holen. Stundenlang suchten sie das Ufer ab, aber eine Rolle fand sich nicht. Jetzt war guter Rat teuer.

Sie zogen sich wieder auf ihre Baumburg zurück und hielten Rat. Diesmal setzten sie sich unter den Baum, weil der Baumkran Sebastians Last nicht zweimal am Tag geschafft hätte. "Woher nehmen und nicht stehlen?", fragte Katrin in die Runde. "Dann müssen wir halt eine Rolle im Baumarkt kaufen", warf schließlich Martin ein. "Kaufen?! Von was denn? Unsere Sparschweine sind alle geplündert seit unsrem letzten Besuch beim Burger-King", gab Florian zu bedenken. "Dann müssen wir halt Geld verdienen!", waren Katharinas Gedanken. "Wie wäre es mit einem Flohmarkt nächsten Samstag?!", ergänzte sie und schaute fragend in die Runde. "Ich hätte schon genug alten Plunder auf unserem Dachboden. Der ist für den nächsten Sperrmüll bestimmt", sagte Benni, diesmal ohne Finger in der Nase. "Meiner Oma ihre alte Brille und einen alten Klodeckel mit Blümchenmuster könnte ich auch verkaufen", fiel Roland ein. "Abgemacht!" sagte Basti und alle machten sich auf den Weg nach Hause, um dort nach etwas Brauchbarem zu suchen, denn heute war schon Donnerstag.

10. Der Flaschenzug

Was die Matchbox-Bande am Samstag alles anschleppte, lässt sich kaum beschreiben. Natürlich war das meiste alter Plunder und im Grunde genommen keinen Cent mehr wert. Aber die Kinder hatten alles auf Hochglanz poliert und notdürftig repariert. Und tatsächlich: Immer wieder blieben Leute stehen, die sich für das eine oder andere Stück interessierten. So wechselten viele Stücke nach und nach ihre Besitzer: Bennis Comic-Sammlung, Florians Holzeisenbahn, Rolands Kettcar, Katharinas Puppenstube, Maxis Bobby-Car, Katrins erstes Schminktäschchen und Martins alter Baukasten. Als sie den Platz gegen Mittag wieder räumen mussten, zählten sie ihre Einnahmen zusammen. Sie wollten ihren Ohren nicht glauben, als Sebastian die Tageseinnahme verkündete: 63 Euro u. 17 Cent. Donnerwetter! Soviel Geld hatte noch keiner der Bande auf einem Haufen gesehen.

Montag Nachmittag waren sie alle wieder beisammen, um im Baumarkt eine Aufzugsrolle zu kaufen. "Ich würde euch zu einem Flaschenzug raten", meinte ein Verkäufer, den sie um Hilfe gebeten hatten. "Den gibt’s schon ab 65,- Euro", fuhr der Verkäufer fort und zeigte auf ein solches Gerät an der Wand. Sie hätten ihn schon gerne gekauft, aber bis 65,- Euro fehlten ja noch 1 Euro u. 83 Cent. Da griff Sebastian in seine Hosentasche und holte noch 2 Euros raus, die er sicherheitshalber immer bei sich trug. "Das Gerät ist doch eh für mich da. Also werde ich den Rest drauf legen und diese Woche etwa sparsamer mit meinem Taschengeld umgehen."

Wie sich herausstellte, war der Flaschenzug ganz schön schwer. Vor allem die lange Kette hatte ihr Gewicht. Sie legten das Paket auf Sebastians Ablagekorb im Rollstuhl und wechselten sich beim Schieben ab. Trotzdem kamen sie schweißgebadet bei ihrem Versteck an. Der Flaschenzug kam zur rechten Zeit, denn der Baum hatte sich von seiner letzten Arbeit noch nicht wieder erholt. Den Flaschenzug oberhalb der Burg zu befestigen war nicht schwer. Nur vor dem ersten Hochziehen hatten sie noch etwas Bammel.

Sie schnallten Sebastian am Rollstuhl fest und befestigten den Haken des Flaschenzuges in der Mitte des Rollstuhles. Nun konnte der Aufzug beginnen! Alle griffen nach der Kette, um beim Hochziehen zu helfen. Doch so schnell sie auch zogen, der Rollstuhl rückte immer nur ein kurzes Stück nach oben. Das läge an der Übersetzung, erklärte ihnen Sebastian, als er langsam nach oben schwebte. Sie verstanden zwar alle nur Bahnhof, merkten aber bald, dass sie nicht viel Kraft brauchten, um Sebastian schließlich in der richtigen Höhe zu haben. "Ich danke euch allen, dass ihr mir so geholfen habt", sagte Sebastian glücklich, als sie sich in der engen Hütte wieder versammelt hatten. „Ich danke auch dir“, sagte Sebastian in Richtung der Hand, die dem MBM immer als Bank gedient hatte. Doch die war leer. Der MBM war verschwunden!

11. Das Ende des MBM 

Verzweifelt durchsuchte Sebastian alle Winkel in seinem Zimmer. Doch der MBX blieb verschwunden. Auch der Katalog war weg. "Den habe ich heute Morgen in die Papiertonne geschmissen", erklärte ihm sein Mutter. "Obenauf lag ein Briefchen an dich ohne Absender. Ich habe es dir auf dein Kissen gelegt", fuhr sie teilnahmslos fort. "Den alten Schuhkarton habe ich auch gleich entsorgt. Da war eh nur alter Plunder drin!", sagte sie abschließend, ohne zu bemerken, wie Sebastian die Tränen in die Augen stiegen. Traurig rollte er zurück in sein Zimmer, um nach dem Briefchen zu suchen. Da lag es auch, das kleine Couvert. Hastig öffnete Sebastian den Umschlag und las, was drin stand:

Lieber Sebastian,
die Zeit mit dir war schön., aber sie ist jetzt vorbei. Ich habe dir geholfen, Freunde zu finden, die dich anerkennen und auch mögen. Meine Aufgabe ist erfüllt. Lebe wohl und kümmere dich um deine Bande!
Dein Matchbox-Man

Sebastian wischte sich ärgerlich die Träne weg, die auf der rechten Wange runter zu kullern drohte. "OK, Matchbox-Man, wenn du es so willst. Ich finde es schade, weil du mir sehr geholfen hast und ich dich sehr gerne gehabt habe. Du wirst mir fehlen! Danke für alles", flüsterte Sebastian leise.

Noch bevor seine Mutter das Licht auslöschte, fiel Sebastians Blick auf die Reihe seiner Matchbox-Autos. Alle standen noch in Reih’ und Glied. Nur eines fehlte: der rote Ferrari. Also hatte es ihn doch gegeben, den Matchbox-Man! Doch nur er, Sebastian, hatte ihn sehen können ...

- ENDE -